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Grundlegung.
aus dem Verständnis der normalen Erscheinungen. Doch ver¬
mag eben die Notwendigkeit, sie daraus verständlich zu machen,
mit besonderer Deutlichkeit hinzuweisen auf die Bedingungen, die
im normalen psychischen Leben wirksam sind.
Man nennt die nicht unmittelbar auf das eigene Individuum ge¬
richtete psychologische Betrachtung auch wohl die objektive. In
Wahrheit ist in der Psychologie, wie überall, die objektive Methode
diejenige, welche sich möglichst unmittelbar durch die letzte Quelle,
die »Objekte«, beraten läßt. Demgemäß ist in der Psychologie die
eigentlich objektive Methode die Betrachtung des eigenen Bewußt¬
seinslebens. Jede andere Methode ist ohne diese eine subjektive,
d. h. eine Methode der willkürlichen Interpretation und der Be¬
stätigung vorgefaßter Meinungen.
II. Kapitel: Die Bewußtseinsinhalte.
Empfindung und Gefühl; »Ich« und der Körper.1)
Die Unterscheidung der allgemeinsten Gattungen der Bewußt¬
seinsinhalte ergibt als erste Gattung die Empfindungsinhalte.
Ihnen stehen unmittelbar gegenüber die Gefühle. Ich betone aus¬
drücklich, daß ich hier von Empfindungsinhalten rede. Es ist
eine Grundbedingung für die Psychologie, daß jederzeit und an
jedem Punkt aufs bestimmteste unterschieden werden: die Empfin¬
dungsinhalte und die Empfindungen; ebenso die Vorstellungsinhalte
und die Vorstellungen. Der empfundene Ton ist ein Empfindungs¬
inhalt. Die Empfindung des Tones ist, phänomenologisch gefaßt,
die unmittelbar erlebte Beziehung zwischen mir und dem Ton, und
sie ist für die über die phänomenologische Betrachtung hinaus¬
gehende Betrachtung der reale Empfindungsvorgang. Gleichartiges
gilt von der Vorstellung. " ~~
Empfindungsinhalte und die ihnen entsprechenden Vorstellungs¬
inhalte werden erlebt als ein schlechthin von mir Unterschiedenes
und mir Gegenüberstehendes. Sie sind absolut »gegenständliche«
Inhalte. Gefühle dagegen sind unmittelbar erlebte Qualitäten oder
*) Vgl. die Schrift »Das Selbstbewußtsein; Empfindung und Gefühl«. Wies¬
baden 1901.