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Die Erkenntnis.
Wahrscheinlichkeit der Geltung oder Nichtgeltung, und zwar der
größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit derselben, je nach
dem Grade der Wahrscheinlichkeit der beiden Forderungen, d. h. je
nach dem Umfange der Möglichkeitsurteile, welche sie in sich
schließen; oder, was nach obigem Dasselbe sagt, je nach der Menge
der Determinationen des fordernden Gegenstandes, welche die Forde¬
rung, und der Menge derjenigen Determinationen desselben, welche
die Gegenforderung stellen. Auch diese Bewußtseinserlebnisse sind
das Ergebnis einer unterordnenden Verschmelzung, nur eben nicht
einer absolut unterordnenden.
* Dabei ist das Wahrscheinlichkeits- oder Unwahrscheinlichkeits-
bewußtsein jedesmal bezogen auf die Forderung, deren Inhalt ich zum
apperzeptiven Schwerpunkt mache oder subjektiv überordne. Zu¬
gleich fragt es sich aber jedesmal, wie ich apperzipierend zu den
Gründen und den Gegengründen mich verhalte, ob ich die einen
oder die anderen apperzipierend bevorzuge oder speziell apperzipiere,
also in den apperzeptiven Schwerpunkt mit hineinnehme, ob ich
also den Inhalt der Forderung bzw. der Gegenforderung unter
dem Gesichtspunkt der Gründe oder der Gegengründe betrachte.
Je nachdem entsteht mir ein Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit oder
der Unwahrscheinlichkeit. Hat die Forderung, auf deren Inhalt ich
speziell achte, oder deren Inhalt ich zum apperzeptiven Schwer¬
punkt mache, die größere Wahrscheinlichkeit, so gewinne ich in der
antithetischen Einheitsapperzeption oder aus der antithetischen unter¬
ordnenden Verschmelzung das Bewußtsein der positiven Wahrschein¬
lichkeit der Geltung dieser Forderung oder das Bewußtsein der
Unwahrscheinlichkeit ihrer Ungültigkeit, je nachdem ich in dieser Ein¬
heitsapperzeption die Gründe für diese Forderung oder die Gegen¬
gründe gegen dieselbe in den apperzeptiven Schwerpunkt mit
hineinnehme. Hat jene Forderung die geringere Wahrscheinlich¬
keit, so entsteht mir unter der gleichen Voraussetzung das Bewußt¬
sein der Wahrscheinlichkeit der Nichtgeltung jener Forderung oder
der Unwahrscheinlichkeit der Geltung derselben. Hiermit sind jedes¬
mal qualitativ verschiedene Bewußtseinserlebnisse bezeichnet.