432 Zweiter Abschnitt. Scheinbare Gröfse u. psychologische Grundlagen usw.
obachtungen ein Nachtrag za machen. Ich teilte mit, dafs ich
bei gewissen Akkommodations- bzw. Konvergenzgraden Mikropsie
wahrnahm, wenn komplizierte und detailreiche Objekte dar¬
geboten wurden, während die Mikropsie bei Vorlegung einfacher
Punktdistanzen ausblieb. Tatsache ist, dafs ich bei Vorlegung
solcher Punktdistanzen dahin tendiere, den Blick sukzessiv den
begrenzenden Punkten zuzuwenden. Ich glaubte darum (1. c.
S. 362) diesen Fall auf den zweiten der gegenwärtigen Darstellung
zurückführen zu können. — Wenn die Faktoren des zweiten Falles
auch mitgewirkt haben mögen, so kann ich doch jene Zurück¬
führung nicht mehr als eine ausreichende Erklärung erachten,
seitdem ich Beobachtungen von folgender Art angestellt habe.
Ein quadratisches oder rechteckiges, detailreiches Objekt —
ein Stück Tapetenmuster, Buntglaspapier oder ein Bild — wird ab¬
wechselnd einerseits mit Linsen von verschiedener Stärke, sowie
mit Konvergenzplatten von verschiedener Dicke unter ver¬
schiedenem Neigungswinkel betrachtet, anderseits mit unbe¬
waffnetem Auge angesehen. Daneben wird zum Vergleich ein
ebenso grofses homogenes Objekt (schwarzes Recheck bzw.
Quadrat), welches auf weifsem Karton aufgeklebt ist, in derselben
Weise betrachtet. Es zeigte sich, dafs oft unter den gleichen
Versuchsbedingungen die Mikropsie beim detailreichen Objekt
vorhanden ist, beim detailarmen dagegen nicht konstatiert werden
kann ; niemals habe ich die umgekehrte Erscheinung bemerkt. Bei
Darbietung des detailreichen Objektes besteht nun vielleicht eher
eine stärkere Tendenz zur Ausführung von Blickbewegungen als
bei Darbietung des homogenen. Wenn trotzdem im letzteren
Falle die Mikropsie oft ausbleibt, so kann das nicht auf Blick¬
bewegungen zurückgeführt werden, die im Vergleichsfalle fehlen.
Ist das Aufmerksamkeitsphänomen das Antezedenz, die schein¬
bare Gröfse das Konsequenz, so ist die Begünstigung der detail¬
reichen Objekte bei Mikropsieversuchen verständlich. Der Ein¬
druck, dafs von dem vorgelegten Objekt in den beiden Konstella¬
tionen nicht gleichviel simultan überschaut wird, wird sich eben
bei einem detailreichen Objekt mit vielen Anhaltspunkten relativ
leicht, bei einer kahlen Fläche ohne Anhaltspunkte relativ schwer
einstellen. Ferner ist, wie 1. c. S. 92 ausgeführt wurde, der Ein¬
druck der Gesichtsfelderweiterung bei Darbietung einfacher Ob¬
jekte (Wandfläche, in regelmäfsigen Abständen mit schwarzen
Figuren bedeckt), weit weniger deutlich als bei Darbietung