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Erster Abschnitt. Uber das Wesen der Tiefenwahrnehmung.
besonders förderlich sind, die ein frequentes und lebhaftes
Wandern des Blickes und der Aufmerksamkeit begünstigen. Diese
Bedeutung gerade des bewegten Blickes tritt auch in einer be¬
reits von Hillebrand am Haploskop angestellten Beobachtung
deutlich zutage. „Blickt man während der Konvergenz¬
en de run g in die Spiegel des Apparates, so entsteht der Ein¬
druck des Näherrückens (sc. des fixierten Fadens) mit solcher
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„Energie, dafs man das Intervall, innerhalb dessen die Änderung
„der scheinbaren Entfernung vor sich geht, stark zu überschätzen
„geneigt ist; die Fäden scheinen beträchtlich näher zu rücken,
„befinden sich aber zum Schlüsse in einer scheinbaren Entfer¬
nung, die von der ursprünglichen nur wenig ab weicht.“
Wäre dieser Versuch der einzige, bei dem die Bewegung des
Blickes die Deutlichkeit des Tiefeneindrucks fördert, so würde
vielleicht folgende Erklärung befriedigen : Der Konvergenzzustand
des Auges folgt dem bewegten Objekt nicht genau, sondern
bleibt hinter dem durch die Erregung geforderten Konvergenz¬
zustand etwas zurück. Infolgedessen bildet sich das Objekt unter
gekreuzter Disparation ab und erscheint darum näher.
Wir vermögen diese Interpretation darum nicht für befrie¬
digend zu halten, weil sich die Bedeutung der Wanderung des
Blickes für die Deutlichkeit des Tiefeneindrucks auch in solchen
Fällen zeigt, in denen der Tiefeneindruck sicher nicht auf Quer¬
disparation und überhaupt nicht auf den Raumwerten der Netz¬
haut beruht1 ; es genügt der Hinweis auf die Analyse des
PANUMschen Phänomens, welches ja auf die Wirksamkeit von
Blickbewegungsimpulsen bzw. Aufmerksamkeitswanderungen zu¬
rückgeführt werden konnte.
Diese Bedeutung der Wanderung des Blickes scheint darauf
hinzuweisen, dafs nicht so sehr die ruhende, als vielmehr die
bewegte optische Aufmerksamkeit, bzw. der entsprechende
Blickbewegungsimpuls, die Tiefenlokalisation bestimmt. Zu
demselben Ergebnis gelangten wir bei der Behandlung der
Angleichungserscheinungen, wo wir ja auch den Impuls zur
AufmerksamkeitsVerlagerung für das Mafsgebende erklären
mufsten, nicht die dauernde Innervation bzw. die dauernde
Aufmerksamkeitsrichtung. —
1 Höchstens indirekt, indem bei Keizung gewisser Netzhautstellen ge-
wisse Innervationen auftreten.