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Erster Abschnitt. Tiber das Wesen der Tiefenwahrnehmung.
räumliche Konfiguration aufzutreten scheint, so nahm ich an, dafs
der objektiv veränderte Seitenfaden dahin wirke, den objektiv
unveränderten in einer „ähnlichen“ Raumlage erscheinen zu
lassen. Obgleich mir diese Deutung etwas mysteriös und auf
unscharfe Begriffe aufgebaut erschien, so wufste ich doch keine
bessere zu geben. Indes mufste ich diese Deutung sogleich fallen
lassen ; denn die Erscheinung ist nicht nur dann vorhanden, wenn
man den Blick ausschliefslich oder vorwiegend — wie das bei un¬
gezwungenem Verhalten der Fall zu sein pflegt — auf den Mittel-
faden richtet, sondern auch dann, wenn man den einen oder den
anderen Seitenfaden an blickt oder wenigstens seine Aufmerksam¬
keit auf ihn konzentriert.
Beim Anblicken des Mittelfadens scheinen die Seitenfäden,
welche vom Mittelfaden gleichen Seitenabstand besitzen und beide
hinter ihm zurückstehen, eine für den unmittelbaren Eindruck
„ähnliche“ Lage zu besitzen, — wenn wir nun schon einmal mit
diesem hier nicht zur Schärfe und Bestimmtheit erhobenen Be¬
griff arbeiten. Bei Konzentration der Aufmerksamkeit auf einen
der Seitenfäden verliert nun aber der Eindruck, dafs sich die
letzteren in „ähnlicher“ Raumlage befinden, für mich wenigstens,
erheblich an Eindringlichkeit, oder er hört ganz auf. — Die ange¬
deutete Interpretation mufste also fallen gelassen werden.
Wichtiger ist folgende Beobachtung, die sich mir, so oft ich
den Versuch anstelle, immer von neuem auf drängt. In den¬
jenigen Fällen, in denen der objektiv unveränderte Faden weniger
weit gegenüber dem Mittelfaden vor- bzw. zurückzutreten scheint
als der objektiv veränderte Seitenfaden (Fall „b“) scheint das
Vor- bzw. Zurücktreten des unveränderten Fadens
gegenüber dem Mittelfaden quantitativ stärker zu
werden, wenn ich die beiden Seitenfäden kollektiv
?
auffasse.1 Diese Beobachtung wurde von mir bei allen in der
Untersuchung verwendeten Rahmenstellungen und Fadenabständen
gemacht. Kollektive Auffassung der beiden Seitenfäden hatte also
in allen diesen Fällen den quantitativen Betrag der scheinbaren
1 Weifs die Vp., welcher der im Gesichtfeld erscheinenden Fäden ver¬
ändert wTird, so wird das leicht zur Folge haben, dafs der Faden, an dem
die Veränderung zu erwarten ist, isoliert aufgefafst wird, und dafs somit
die unveränderten Fäden kollektiv aufgefafst werden; es wird also eine-
Tendenz zu derjenigen Verhaltungsweise bestehen, bei welcher das Kova-
riantenphänomen nicht die maximale Deutlichkeit besitzt.