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Erster Abschnitt. Über das Wesen der Tiefenwahrnehmung.
§ 2.
Die experimentelle Analyse des PANUMsehen Phänomens be¬
gannen wir mit Versuchen, bei denen die Gröfse des Seiten¬
abstandes der beiden im Gesichtsfeld erscheinenden Fäden vari¬
iert wurde. Bei den jetzt geschilderten Versuchen wurde unter¬
sucht, welchen Einflufs die Variierung des Seitenabstandes auf
den durch die Querdisparation vermittelten Tiefeneindruck hat.
Beide Gattungen von Versuchen — die am PANUMsehen Phä¬
nomen und die an den Querdisparationserscheinungen an-
gestellten — laufen einander, sowohl hinsichtlich der Methode
wie hinsichtlich des Ergebnisses parallel. Der Satz, dafs der
Tiefeneindruck bei kleinem Seitenabstand relativ deutlich ist,
um bei Vergröfserung des Seitenabstandes an Deutlichkeit abzu¬
nehmen, gilt nach dem Ergebnis des vorliegenden Kapitels nicht
nur beim PANUMsehen Phänomen, sondern auch dann, wenn der
Tiefeneindruck durch Querdisparation hervorgerufen ist.
Diese Erscheinung war im Falle des PANUMsehen Phänomens
verständlich, wenn wir unsere Ansicht zugrunde legten, dafs der
Tiefeneindruck durch Aufmerksamkeitswanderung bedingt ist
und dafs er um so deutlicher ausfällt, je günstiger die Bedin¬
gungen für das Auftreten von Wanderungen der Aufmerksam¬
keit sind. Wir konnten uns ja auf die Tatsache berufen, dafs
ein Objekt, dessen Bild auf der Netzhaut der Fovea naheliegt,
einen stärkeren Anreiz für die Aufmerksamkeit darstellt als ein
Objekt, dessen Netzhautbild peripherer gelegen ist (S. 73).
Genau die gleiche Erwägung gilt wörtlich auch für das Er¬
gebnis der analogen Versuche bei Querdisparation. Im Falle
des PANUMsehen Phänomens erblickten wir in dem Umstand,
dafs sich das in Rede stehende Ergebnis von unserer Grund¬
ansicht aus in bequemster Weise erklärt, während von der her¬
kömmlichen Deutung des PANUMsehen Phänomens aus zum Ver¬
ständnis der Erscheinung kein Weg zu führen scheint, oine neue
Bestätigung unserer Grundansicht, dafs dem PANUMsehen Phä¬
nomen als verursachender Faktor Wanderung der Aufmerksam¬
keit, bzw. Erteilung von Impulsen, zugrunde liegt. In ganz
analoger Weise erblicken wir in dem Umstand, dafs sich das nun¬
mehr erhaltene Resultat vom Standpunkt unserer Grundansicht
über das Wesen der Querdisparation aus in einfachster Weise
erklären läfst, eine neue Bestätigung dieser Grundansicht, dafs