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ganzer Ablauf und ihre Dauer. Hierbei tritt uns die wichtige
Frage entgegen, wie sich der elektrische Prozeß zur Kontraktion
des Muskels verhält. Schon aus älteren Versuchen von Helm¬
holtz über die Zeitmomente der primären und sekundären
Zuckung konnte man schließen, daß die negative Schwankung
schneller auftritt als die Zuckung des primären Muskels. Man
weiß aus den Helmholtzsehen Untersuchungen über den zeit¬
lichen Verlauf der Muskelzuckung, die mit Hilfe der Pouillet-
schen Zeitmessungsmethode oder mit dem Myographion angestellt
wurden, daß die Zuckung nicht sofort im Momente des Eeizes
beginnt, sondern erst nach einem „Stadium der latenten Reizung“,
das im Froschmuskel unter gewöhnlichen Bedingungen der Arbeits¬
leistung etwa bis zu 0,01” reicht1). Die ganze Zuckung dauert
beim Froschmuskel etwa x/6”. Weitere Versuche, welche von
J. Bernstein (1. c.) angestellt wurden, ergaben an langen,
parallelfaserigen und kuraresierten Muskeln, daß bei Reizung an
einem Ende (wie in Fig. 11) die sich über den Muskel fort¬
pflanzende Kontraktion eine Geschwindigkeit von etwa 3 m in der
Sekunde besitzt. Da sie an jeder Stelle demnach in verschiedenen
Zeitpunkten anhebt, das Maximum erreicht und wieder sinkt, so
läuft sie als Kontraktionswelle über die ganze Länge der
Fasern ab. In der Fig. 12 ist durch die Kurven cc die Ver¬
dickung eines sehr lang gedachten Muskels (abgesehen von der
gleichzeitigen Verkürzung) dargestellt, und zwar für den Zeit¬
moment, in welchem die schraffiert angegebene Reizwelle ss eben
den Längsschnittpunkt l erreicht2). An der Reizstelle rr ent¬
stehen beide durch den Induktionsschlag, die Reizwelle momentan
ohne wirkliches Latenzstadium, die Kontraktionswelle aber erst
nach etwa 1/100". Die Reizwelle pflanzt sich nun mit
derselben Geschwindigkeit von 3m in fort wie die
Kontraktions welle; sie eilt daher der Kontraktion sw eile vor¬
aus und muß in jedem Querschnittelement der Muskelfaser früher
erscheinen als der Beginn der Kontraktion. Der größte Teil
') Mit feineren Hilfsmitteln photographischer Aufzeichnung beob¬
achtet, kann dieser Zeitraum bis auf etwa 0,004” reduziert werden.
2) Das schematische Bild gibt die wirklichen Verhältnisse der
Wellenlänge nicht genau wieder. Die Kontraktionswelle ist sehr viel
länger als die Reizwelle. Ihre Länge beträgt im Froschmuàkel etwa
300 mm.