Methoden der Psychologie des Gefühlslebens
1585
betätigen kann. Sodann spielt in der Psychologie der ästhetischen
Wertschätzungen eine sehr bedeutsame Polle die Selbst¬
beobachtungsmethode. Eine gewisse Bedeutung hat
zuletzt noch die entwicklungsgeschichtliche Me¬
thode, welche ästhetische Befunde der Völkerpsychologie und
Kinderpsychologie vergleichend verarbeitet.
I. Der direkte und indirekte (assoziative)
Faktor beim ästhetischen Wertschätzen bei
Fechner und das ästhetische Hilfsprinzip.
1. Fechner ist auch für die nicht experimentelle Ästhetik von
epochemachender Bedeutung gewesen. Er hat eine Beihe von
Prinzipien auf gestellt, welche fruchtbare Gesichtspunkte der Unter¬
suchung und wertvolle Unterscheidungen geben. Von außer¬
ordentlicher Bedeutung ist seine Lehre vom direkten und indirekten
Faktor. Alles ästhetische Wertschätzen gründet sich nach Fechner
auf einen direkten und indirekten Faktor. Der direkte Faktor ist
gegeben in den sinnlichen Tatbeständen, in Farbe, Gestalt,
Klang, Bhythmus usw. Der indirekte Faktor wird auch als
assoziativer Faktor bezeichnet. Gemeint sind damit g e-
fühls starke Vorstellungen und Gedanken, die
durch den direkten Faktor ausgelöst werden. Ich gebe zur Illu¬
strierung ein Beispiel von Fechner :
,,Weshalb gefällt uns eine rote Wange an einem jugendlichen
Gesicht besser als eine blasse ? Ohne Zweifel kommt hier nicht allein
die rote Farbe in Betracht. Denn die rote Farbe der Käse mißfällt
uns. Die rote Farbe der Wange gefällt uns nicht so sehr auf Grund
des sinnlichen Eindruckes als auf Grund der sich an denselben an¬
schließenden Vorstellungen von Gesundheit, Freude, blühendem
Leben, und die rote Farbe der roten Käse mißfällt uns nicht auf
Grund des sinnlichen Eindruckes, sondern auf Grund der sich an
denselben anschließenden Vorstellungen von Trunk und Kupfer¬
krankheit.”
Wir fragen nun zunächst, ob der direkte Faktor
für sich genommen schon eine ästhetische
Wirkung nach Fechner erzeugt. Auf diese Frage finden
wir bei Fechner eine entschieden bejahende Antwort. Denn er sagt :
,,Daß Formen, Farbe, Töne und selbst Verhältnisse von solchen,
deren Eindruck schon über den rein sinnlichen hinausgeht, uns
rücksichtslos auf angeknüpften Sinn, Bedeutung, Zweck und ohne
Erinnerung an äußerlich oder innerlich früher darin Erfahrenes,
kurz vermöge direkter Einwirkung, mehr oder weniger gefallen
oder mißfallen können, bezweifelt niemand. Jedem gefällt, ab¬
gesehen von Assoziationen, rein gesättigtes Bot oder Blau besser als