Methoden der Psychologie des G-efühlslebens
1157
motorischen Zentren allein gestört sind, und in eine zweite Gruppe
von Fällen, wo die Akinese von einer Störung der Willens Vorgänge,
und zwar der in sie eingehenden Gefühlsprozesse abhängt, wo
eine pathologische Gleichgültigkeit vorliegt. Er hat eine sehr
schöne Charakterisierung einiger hierher gehöriger Fälle gegeben.
Der eine von den Fällen, die wir heranziehen wollen, betrifft
eine 38jährige Patientin1).
Mäßig starke Akinese. Faltengesicht. Kein Bigor. „Es falle
ihr seit der Krankheit alles so schwer.” „Die Lebenslust sei fort.”
„Es sei ihr alles zu viel.” „Am liebsten habe sie, wenn man sie ganz
in Euhe lasse. Sie könne sich über nichts mehr freuen. Sie habe
doch ihre Kinder so lieb gehabt, jetzt aber sei es ihr ganz gleich,
was mit ihnen sei. . . Wenn sie im Haushalt etwas tun müsse, so
sehe sie wohl, wo es fehle, sie wisse auch, was sie zu tun habe. ..,
sie sage sich auch, daß sie jetzt voran machen müsse, sie könne
sich aber doch nicht dazu entschließen. Es müsse schon ganz
schlimm kommen, z. B. müsse der Topf auf dem Herd kochen,
dann rege sie sich. Sie empfindet keine wesentliche muskuläre
Behinderung, meint, daß die Störung im Willen liege. Sie beschreibt
charakteristische Schwankungen der Willensstörung; abends sei
es immer leichter als morgens. . . .
Das Denken sei auch verändert: Auffassung und Behalten
seien gleich geblieben; wenn sie sich aber keine Mühe gebe, sei
immer nur ein Gedanke da, der mit der aktuellen
Gegenwart nichts zu tun habe, für sie auch ganz gleichgültig sei;
sie beklagt sich darüber, daß ihr von selbst nichts ein¬
falle, daß sie lange nachdenken müsse, um an ein bestimmtes
Ziel zu kommen, und daß der Denkprozeß als solcher ihr schwer
falle. ,S i e bringe nichts mehr zusammen’ und
wisse, wenn sie angefangen habe, einem be¬
stimmten Gedanken nachzugehen, schon
kurz nach dem Beginn gar nicht mehr, was sie eigent¬
lich gewollt habe. Es sei ihr dann ganz dumm im Kopf und der
letzte Gedanke bleibe stehen. Sie wisse dann gar
nicht, wie sie im Denken dahin gekommen sei und was die be¬
treffende Vorstellung zu bedeuten habe.
Objektiv ist dieser Eall dahin zu ergänzen, daß der Ablauf
von Handlungen, wenn man sie erst einmal zu einer gebracht hat,
ziemlich ungestört ist. . . . Es müssen Aufforderungen, wenn sie
Erfolg haben sollen, so gewählt sein, daß sie von irgendeiner Seite
her das Interesse der Patientin wecken. . . .
Es wird eine Gedächtnisstörung dadurch vorgetäuscht,
daß sie nach der Antwort auf eine Frage, die sich
x) Hauptmann: Arch. f. Psych. 66.
Abderhalden, Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden. Abt. VI, Teil B/II. 76