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G-. Störring
wie sich zeigen wird, Feststellungen über Tatsachen ans dem
Gebiete des Gefühlslebens, die in eindeutiger Weise sich mit einer
durch experimentellen Betrieb geläuterten Selbstbeobachtung er¬
geben.
Wir wollen jetzt dazu schreiten, eine allgemeine Charak¬
teristik der pathopsychologischen Methoden zu geben. Es handelt
sich also um diejenigen Methoden, welche psychopathologische
Tatbestände zu Schlüssen für die normale Psychologie verwerten.
Das krankhafte Seelenleben wird eben von denselben Gesetz¬
mäßigkeiten beherrscht wie das normale Seelenleben. Verändert
sind, wenn man absieht von pathologischen Beizungszuständen
der Hirnrinde, welche das psychische Leben zerreißen, die kom¬
plexen Bewußtseinsinhalte, welche dann ein differentes Geschehen
bedingen.
Psychologie und Psychopathologie stehen in Wechselwirkung
zueinander. Die meisten psychopathologischen Fälle sind weit
mehr der Beihilfe der Psychologie zur Erklärung derselben be¬
dürftig, als daß sie für die normale Psychologie verwertet werden
könnten. Für die normale Psychologie verwert¬
bar sind solche Fälle, die sich ans ehe n lassen
als Experimente der Natur. Sie erweisen sich als
förderlich für die psychologische Analyse und für die Fest¬
stellung von psychologischen Abhängig¬
keitsbeziehungen.
Die Analyse wird durch die psychopathologischen Tatbestände
z. B. gefördert auf dem Gebiete des Ichbewußtseins.
Hier liegen für den Selbstbeobachtungspsychologen große Schwierig¬
keiten vor, weil hier dunkelbewußte Größen eine beträchtliche
Bolle spielen. Dazu ist das Ichbewußtsein der experimentellen
Untersuchung noch nicht unterworfen. Auch für diese stellt die
Mitwirkung von dunkelbewußten Tatbeständen eine große Schwierig¬
keit dar. Durch Fälle krankhaften Seelenlebens ist aber die Analyse
in der schönsten Weise gefördert. Es stellt sich dabei heraus, daß
das Ichbewußtsein, so einheitlich es auch ist, keine
einfache Größe ist, sondern eine komplexe. Die einzelnen
Komponenten des Ichbewußtseins lassen sich
bei isolierter Störung derselben erkennen. Eine dieser Kom¬
ponenten ist die Empfindung des eigenen Leibes,
deren Aufhebung oder stärkere Änderung das Ichbewußtsein
alteriert. Auch bei höherer Entwicklung des Ichbewußtseins ist
sie noch eine Komponente desselben. —
Was die Feststellung von Abhängigkeits¬
beziehungen betrifft, welche durch Verwertung des psycho¬
pathologischen Materials erzielt wird, so muß man hier zwei Wege
der Untersuchung unterscheiden : den Weg von der Ur-