Methoden der Psychologie des Gefühlslebens
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unbewußte Denkakte und unbewußte Willensvorgänge — und damit
auch unbewußte Gefühls Vorgänge sieht.
Wir wollen uns jetzt noch aus anderen Gebieten der Psycho¬
analyse zur Verteidigung der Existenz dieses Unbewußten bei¬
gebrachtes Material näher betrachten.
Wir geben zunächst einen Fall von Pfister:
„Ein 16jähriger Knabe leidet an mehreren Druckpunkten
auf dem Kopf, die auf Fall, Prügeleien usw. zurückgehen. Der
Vater, ein Lehrer, pflegte seinem Sohn beim Klavierunterricht
Kopfnüsse auszuteilen, bis die schmerzhaften Stellen Einhalt
geboten. Sofort nach Aufdeckung dieser Tatsachen (in psycho¬
analytischer Behandlung) ist der Schaden verschwunden, kehrt
aber nach kurzer Zeit als hysterische Dornenkrone
zurück. Es führte die Apperzeption des Symptoms auf den Dornen¬
gekrönten, dessen Passion der Patient in der Primarschule mit¬
leidsvoll gesehen hatte. Diese Identifikation sollte ihn in unver¬
dienten Verfolgungen trösten. In der nächsten Sitzung überraschte
mich der Bursche mit einer Drucklinie, die, näher ins Auge gefaßt,
die Erinnerung assoziierte: Schon oft sagten die Eltern zu mir:
,Du bist ein sonderbarer Heiliger’. Der entlarvte Pseudomessias
begnügt sich also mit einer etwas bescheideneren Bolle.” Pfister
argumentiert bezüglich dieses Palles folgendermaßen: „Wer wollte
nun annehmen, die Hirnzentren, welche die imaginären Dornen-
stiche empfinden ließen, haben ohne psychische Vermittlung ihre
Funktion an total andere abgegeben, welche die Empfindung einer
Aureole hervorbrachten1)?”
Zu dieser Verwertung des Falles möchte ich darauf hinweisen,
daß auch bei Leugnung der Bealität unbewußten psychischen
Geschehens nicht angenommen zu werden braucht, daß hier die
Änderung der hysterischen Erscheinungen ohne psychische
V ermittlung zustande gekommen sei. Die psychische Ver¬
mittlung sehe ich negativ darin, daß die Empfindung der Dornen¬
krone Christi von dem Analysanden als deplaciert erkannt wurde
und positiv in der Vorstellung, dem Gedanken, daß man ihn oft
als sonderbaren Heiligen bezeichnet habe. Für den
Übergang der Vorstellung des sonderbaren Heiligen in die
Empfindung des Heiligenscheines ist der sich mit dieser Vorstellung
verbindende Affekt des unschuldig Sichverfolgtfühlens ver¬
antwortlich zu machen. Es zeigte sich uns ja früher, daß schon im
normalen Seelenleben die Affekte im allgemeinen eine Steigerung
der Intensität der Vorstellungen zustande bringen, an welche
sie sich anschließen. Damit hängt auch zusammen, daß sporadische
x) Pfister: Die psychoanalytische Methode. S. 38.