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G. Störring
dann zu, daß sie mit der Heirat sehr nnznfrieden war nnd den
Mann dieser Freundin nicht leiden konnte.”
Hier macht es sich Freud mit der Verifikation offenbar zu
leicht. In diesem Fall ergibt sich jedenfalls „aus der psychischen
Situation”, daß beim Gedanken an die betreffenden Personen
TTnlustgefiihle stärkerer Intensität vorhanden sind. Diese sind
hier causa vera, denn sie sind als Tatsache anznsehen nnd sie
sind nach unseren früheren Entwicklungen in der Richtung der
Hemmung der Kamenreproduktion wirksam. Aus der gegebenen
„psychischen Situation“ heraus ergibt sich aber keineswegs mit
Sicherheit das Wirken einer verdrängten Absicht.
Daß Freud sich der hier vorliegenden Schwierigkeiten nicht
klar bewußt gewesen ist, sieht man auch daraus, daß er nach seinen
Untersuchungen über die Rolle der „Intentionen” bei Fehlleistungen
der Klasse I und II und seiner sehr anfechtbaren Diskussion über
die Fälle von Klasse III sich zu folgender Stellungnahme aufzu¬
schwingen imstande ist: „Sie können an diesem Bei¬
spiel (der Behandlung der Fehlleistungen)
ersehen, welches die Absichten unserer
Psychologie sind. Wir wollen die Erschei¬
nungen nicht bloß beschreiben und klassi¬
fizieren, sondern sie als Anzeichen eines
Kräftespie1es in der Seele begreifen als
Äußerung von zielstrebigen Tendenzen, die
zusammen oder gegeneinander arbeiten.
Wir bemühen uns um eine dynamische Auf¬
fassung der seelischen Erscheinungen. Die
wahrgenommenen Phänomene müssen in unserer Auffassung
gegen die nur angenommenen Strebungen zurücktreten.“
Hier ist die Auffassung sehr nahe gelegt, daß Freud in letzter
Linie die Absicht hat, den Versuch zu machen, ob sich
nicht das psychische Geschehen als ein sinn¬
volles Geschehen konstruktiv deuten lasse,
und zwar nicht bloß das psychische Ge¬
schehen in Urteilen und Willensakten, son¬
dern alles psychische Geschehen, auch ein
von ihm angenommenes unbewußtes! Diese
unsere mißtrauische Vermutung wollen wir im folgenden nicht
ganz aus den Augen verlieren.
12. Kapitel.
Psychoanalyse der Träume.
Freud macht bei Behandlung der Psychoanalyse des Traumes
zwei Voraussetzungen. Einmal setzt er voraus, daß die Träume
sinnvoll sind. „W ir arbeiten also unter der Vor-