868
Fritz Giese
sonderen Umschreibung des Arbeitsvorganges auch die Angabe
der Körperseite bedeutsam ist. Wir sprechen von Prävalenz,
wenn zweifelsfrei die eine Körperseite uberwiegt, wenn also die
rechte oder die linke Hand den Arbeitsprozeß überlegen gestaltet.
Wir sprechen von Autonomie der Hand, wenn diese Gestaltung
ebenso zweifelsfrei unabhängig von der anderen Körperseite aus
sich vollzieht, wenn die eine Hand der einen Seite wirklich un¬
abhängig und eigengesetzlich arbeitet. Mit der Aufrollung dieser
Frage, ob und inwieweit eine Körperseite bei der Hand über¬
wiege oder selbständig schaffe, kommen wir zu einer Gruppe
von Problemen, die teils theoretische, teils praktische Bedeutung
haben und sich einmal begrifflich, zum anderen auch methodisch
festlegen lassen. Zunächst muß man sich daran erinnern, daß
an und für sich schon der erscheinungsgemäße Unterschied der
einen von der anderen Körperhälfte bei der Hand etwas Erfahrungs¬
gemäßes ist. Und zwar kommen wir damit auf gewisse Beob¬
achtungen, die eine Abweichung der üblichen Yerhaltungsweise
des Menschen f est stellten : nämlich auf das Problem des so¬
genannten Linksers. Weil erfahrungsgemäß tatsächlich die Prä-
valenz der rechten Seite zu vermerken war, fielen die Menschen,
bei denen sich die Verschiebung derselben Handeigenschaften
auf die andere Körperhälfte verzeichnen ließ, als ,,Linkser” auf.
Der Linkser wiederum erwirkte später die umgekehrte und
eigentlich kausale Frage: warum man von einem Rechtsertum
ausgehen müsse; warum und inwieweit das Überwiegen der
rechten Hand vorkomme und Bedeutung besitze ? So ist das
Linksertum als Erscheinung gleichzeitig ein Problemkreis für
die Merkwürdigkeit der Rechtsbetonung unserer Handarbeit
geworden.
Ein weiteres Beobachtungsfeld entwickelte sich freilich erst
aus den näheren Untersuchungen der Arbeitshand, die sich ins¬
besondere mit dem weiter unten zu schildernden Prothesenproblem,
also der Kunsthandherstellung und -konstruktion, befaßten. Hier
kam man dahinter, daß die Überbetonung der einen (rechten)
Seite und die „Minderwertigkeit” der anderen (linken) Seite
auch im Kormalfall durchaus nicht immer zutrifft, sondern daß
bei den Arbeitsvorgängen die Beziehung Rechts : Links eine ganz
andere Bedeutung hat. So entwickelte sich der Begriff der Leit-
und Hilfshand und der Doppelführung, die wir weiterhin zu er¬
wähnen haben, um die Anteilhaberschaft der Extremitäten bei
irgendwelchen objektiven Arbeitsvorgängen richtig zu definieren.
Ein vierter Gedanke kam aus einer mehr theoretisch be¬
dingten und ins Praktisch-Pädagogische zielenden Frage: nämlich
der Forderung, die Prävalenz der einen Seite des Körpers auszu¬
gleichen und demgemäß eine Erziehungsmethode zur gleichartigen