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7) In einem regelmässigen in den Kreis eingeschriebenen Fünfeck
verhält sich die Seite des Fünfecks zum Radius wie Major zum Mi¬
nor, und, sofern die Seite des regelmässigen Sechsecks gleich dem
Radius des umschriebenen Kreises ist, verhält sich auch die Seite
des regelmässigen Fünfecks zu der des regelmässigen Sechsecks wie
Major zum Minor. Weitere Anwendungen, welche der goldne
Schnitt in der Polygonometrie findet, bespricht Zeising in einer
unten anzuführenden Abhandlung.
Schon den Alten war das Verhältniss des goldnen Schnittes
unter diesem Namen bekannt und der Name selbst deutet dahin,
dass schon sie ihm einen gewissen Vorzug vor andern Verhältnissen
beilegten. Indess scheint dieser nur der mathematischen Eigentüm¬
lichkeit des goldnen Schnittes gegolten zu haben, die ja der Art ist,
dass man sich wohl denken kann, es sei auch von dieser Seite ein
Vorzug daran geknüpft worden; wenigstens hat sich keine Nachricht
von einer ästhetischen Bedeutung, die sie demselben beigelegt hätten,
erhalten; und insoweit sich eine Anwendung des goldnen Schnittes
in ihren Werken findet und derselbe wirklich ästhetisch massgebend
ist, kann diess nur einer unbewussten Wirkung ihres Schönheitssinnes
zugeschrieben werden. In neueren Zeiten ist auch die Beachtung
des goldnen Schnittes mathematischerseits ganz zurückgetreten, nach¬
dem die neuere Ausbildung der Mathematik zur Inbetrachtnahme
vieler anderer Verhältnisse, von zugleich interessanter und nützlicher
Anwendung geführt hat, ohne dass sich vor Zeising eine bemerkens-
werthe Anwendung vom goldnen Schnitte dargeboten hätte.
Die allgemeine Betrachtung, durch welche Zeising (N. L. 133 ff.)
zum irrationalen Verhältnisse des 0 als Normalverhältniss für Natur
und Kunst gelangt, läuft nach Zusammenfassung etwas weit herge¬
holter philosophischer Vorerörterungen über den Begriff der Schönheit
kurz etwa auf Folgendes hinaus.
»Das Schöne ist die als sinnlich-geistige Anschauung zur Prä¬
senz gelangende Harmonie der Einheit und unendlichen Mannich-
faltigkeit.« Insofern also ein Gegenstand durch seine Form (ohne
Rücksicht- auf aügeknüpfte Bedeutungen) den Bedingungen der Schön¬
heit entsprechen soll, muss er auch jener Bestimmung entsprechen.
Auf einer niedern Stufe geschieht diess nun schon durch Gleich-