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Die Wirkung des verzierenden Schönen.
Verzierungen der bildenden Künste an, wie sie in den Gärten, Bau¬
werken, Meublen, Zimmern, Gefässen und Geräthen oben dargelegt
worden sind. Der reale Genuss des Weines ist ein, der Art nach
durchaus verschiedener von dem idealen Genuss des kunstvoll mit
Beliefs aus der Götterwelt geschmückten Trinkgefässes. Ebenso er¬
freut man sich ideal an dem architektonischen Schmuck eines Wohn¬
hauses und geniesst später im Innern real die Bequemlichkeiten seiner
Einrichtung.
4. In der zweiten und dritten Art stehen die realen und
idealen Gefühle dem Inhalte nach sich gleich und erhalten damit einen
Einfluss auf einander, welcher entweder die reale Lust durch die hin¬
zutretende ideale gleicher Art steigert, oder welcher die rohere und
stofflichere Natur des realen Gefühles der feinem Natur des idealen
annähert. Diese letztere Wirkung gilt namentlich den schmerzlichen
realen Gefühlen und dient zu deren Milderung, wie früher ähnliches
bei dem Kunstschönen (II. 222) dargelegt worden ist.
5. Diese Arten der Wirkung zeigt vorzugsweise die Verzierung
des Realen durch die Musik und die Dichtkunst. Sowohl bei den
Märschen und Tänzen, wie bei dem Gesang in der Kirche wird das
reale Gefühl des Muthes, der Lust, der Andacht durch die ideale
musikalische Zuthat gesteigert. Diese Zuthat folgt in idealer Weise
genau den realen Gefühlen und bei dieser Gleichartigkeit derselben
verlieren sich die Gränzen beider in der Seele; die reale Lust zehrt
gleichsam die ideale in sich auf und erscheint dadurch verstärkt und
veredelt. Dasselbe gilt für das Verzierende der Dichtkunst in Bezug
auf religiöse Stoffe und auf die Beredsamkeit. Auch bei den Portrait-
Büsteu und Bildern besteht diese Art der Wirkung. Die reale Liebe
zu dem Original fühlt sich erhoben durch die idealisirende Verschö¬
nerung, welche das Original in dem Bilde erfahren hat.
6. Bei der Verzierung der wissenschaftlichen Darstellungen
geht der reale Zweck nicht auf die Erweckung von Gefühlen, sondern
auf die Belehrung, d. h. auf die Vermehrung des Wissens. Wäre
das Schöne hier nicht von der Dichtkunst entlehnt, so würde hier
keine Verbindung der Wirkungen möglich sein; allein die Dichtkunst
steht vermöge ihres Materiales dem Allgemeinen näher und so vermag
sie durch ihre anschaulichen und plastischen Mittel die realen Zwecke
der Belehrung zu steigern; ähnlich wie es die Bilder zu Beschrei¬
bungen von Maschinen und Bauwerken thun. Die Belehrung erreicht
dadurch schneller ihr Ziel, die Lust aus dem Wissen. Die dichte¬
rischen Formen umhüllen diese reale Lust mit den idealen Gefühlen,
welche ihnen entquellen. Dies gilt auch für die dichterische Einklei-