312 Die Geschichte überhaupt und ihre Gesetze.
lichkeit der geschichtlichen Bewegung prahlt. Für den Kenner be¬
kommt dieses Gerede leicht einen komischen Zug, weil trotz aller
Weisheit doch das Gewaltsame oder Unzureichende solcher Auffassung
nicht verhüllt werden kann und weil der gelehrte Mann trotz seiner
Gesetze nie auch nur das Nächste der Zukunft zu erkennen und
vorauszusagen vermag.
33. Die Eitelkeit dieses vermeintlichen Wissens hat sich in
mannichfache Formen gehüllt, welchen man ebenso in den Büchern
wie in der Unterhaltung noch immer begegnet. Es soll hier nur
Einzelnes berührt werden. So spricht man gern von der Macht der
Ideen oder des Zeitgeistes, erhebt ihn zum Leiter der geschicht¬
lichen Bewegung und meint, dass diesem Geiste auf die Länge keine
irdische Macht und keine Gewalt der Despoten widerstehen könne.
Es ist dies die populäre Form des Hegelschen Gedankens. Es ist
richtig, dass dergleichen Ideen zu jeder Zeit in den Völkern bestehen
und scheinbar die Bewegung bestimmen. Das Irrige liegt nur darin,
dass man diese Ideen von den realen Mächten absondert, sie wie
Geister in der Luft schweben lässt und ihre Wirkung gleichsam zu
einer magischen, geheimnissvollen macht. Dazu kommt, dass nur zu
oft der Quietismus sich damit verbindet, welcher die Hände in den
Schooss legt und ruhig die Arbeit und die Erfüllung aller Wünsche
von der Idee und dem Zeitgeiste erwartet.
34. Näher und nüchterner betrachtet, sind solche Ideen nur die
Vorstellungen bestimmter thatsächlicher Ziele, von deren Verwirk¬
lichung die Befriedigung derjenigen Wünsche und Gefühle erwartet
wird, welche zu einer gewissen Zeit in einem Volke die herrschenden
und allgemeinen sind. So war für das Römische Volk dieses Ziel
seine Herrschaft über die Welt; so für die christlichen Völker des
Mittelalters die Herrschaft der christlichen Religion und Kirche; sie
trieb zu den Kreuzzügen nach Aussen und nach Innen und lag dem
Kampfe zwischen Papst und den weltlichen Fürsten zu Grunde. So
wurde später der centralisirte absolute Staat das Ziel und die herr¬
schende Idee, um der Anarchie der feudalen Zeiten zu entgehen und
so schwebt der Gegenwart als Geist der Zeit ein soziales Ziel allge¬
meiner Freiheit, Gleichheit und Liebe der Menschen und Völker vor,
von dessen Verwirklichung alles Heil und Glück erwartet wird.
35. Indem die Völker zu den Autoritäten gehören, von denen
das Sittliche ausgeht, nehmen diese Ziele zugleich einen sittlichen
Charakter an und erhalten damit in ihrer Fassung den Ausdruck,
eines unbedingten Prinzips, oder einer Idee. Es ist auch natürlich,
wenn diese Ideen sich zu einem Theile verwirklichen. Da von