Das Geistig-Erhabene.
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können durch das Rohe, Unbearbeitete ihrer Aussenseite die Erhaben¬
heit steigern, indem sie damit das Natur-Erhabene der Felsen nach-
ahmen.
32. Die Plastik hat es mit der Gestalt der Götter und er¬
habenen Menschen zu thun. Ihre Elemente sind bereits oben bespro¬
chen worden. Das Kolossale ist hier von der klassischen Kunst, un¬
beschadet des Erhabenen, mit Recht bis auf ein Geringes beseitigt
worden. Die Malerei kann das Erhabene aller drei vorgehenden
Künste in ihre Bilder aufnehmen; aber sie erst vermag, das Er¬
habene des Volkes in den Handlungsbildern der Volkskämpfe, der
Schlachten und Völker-Wanderungen darzustellen. Sie besitzt dabei
vorzügliche Mittel zur Idealisirung des Erhabenen. Dazu gehölt das
Dunkel und das Unbestimmte der Begränzung bei den Oelfarben, wo¬
durch der erhabene Gegenstand grösser wird; ferner die Steigerung
der Grösse durch die Perspektive und durch Verkleinerung von Ge¬
genständen, deren Grösse geläufig ist und nach denen das Eihabene
beurtheilt wird; endlich die Einführung des Massenhaften von Menschen
und Thieren. Die Malerei vermag damit die Erhabenheit einer Land¬
schaft, einer Begebenheit ohne Schaden der Aehnlichkeit so zu stei¬
gern, dass oft erst an ihrem Bilde die Erhabenheit des Realen von
dem Beschauer erkannt wird.
33. Die Musik hat reiche Mittel für das Bild des Erhabenen
in den gewaltigen Tönen der Orgel und der Posaunen; in dem ge¬
haltenen, feierlichen Zeitmaasse; in der Aufhebung des Rhythmus, wie
es bei dem Choral geschieht; in den tiefen Bässen, welche den Fort¬
gang der Harmonie tragen oder hemmen, in jenen Melodien, welche
nur in kleinen Intervallen auf- und absteigen und sich jedes sinnlichen
Reizes enthalten; in der Vielstimmigkeit der Fuge und des Canon
und in den Klangfarben der Blasinstrumente im Gegensatz zu den
Geigen. Das Natur-Erhabene, wie das Geistig-Erhabene kann von
ihr dargestellt werden und wenngleich sie nur Stimmungsbilder bieten
kann, so hat sie doch für die Stimmungen der Andacht, der Anbetung,
der Ehrfurcht grosse Mittel und das Erhabene heil seht nicht blos in
der Kirchenmusik vor, es bildet auch einen grossen Theil der profanen
Musik. Bach, Gluck, Beethoven, Meyerbeer haben das Erhabene vor¬
zugsweise gebildet und selbst in Werken für einzelne Instrumente dar¬
gestellt. So ist in der Cis-Moll-Klaviersonate von Beethoven der In¬
halt des ersten Satzes das Erhabene in der Ruhe und dei Inhalt des
letzten das Erhabene in ! der Bewegung. Die erhabene Musik muss
sich, wie jedes Erhabene von dem Zierlichen und Kleinen fernhalten;
deshalb sind die Verzierungen der Triller, der Vorschläge, der Doppel-