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Die Eintheilung der Kunstwerke.
Voss und »Hermann und Dorothee« von Göthe. Das komische Epos
ist in dem Frosch- und Mäusekrieg, in den Parodien und Travestien,
in Reinecke Fuchs, in der Jobsiade und andern vertreten.
13. Der Roman unterscheidet sich vom Epos nur durch die un¬
gebundene Form der Rede und durch die freiere Darstellung über¬
haupt. Deshalb sind bei ihm erhabene, schöne und komische Stoffe
oft neben einander behandelt, und die Sonderung der einzelnen Ro¬
mane nach Gattungen wird schwieriger, aber auch werthloser. Die
Eintheilungen in den aristokratischen, bürgerlichen, historischen, so¬
zialen Roman ruhen auf Unterschieden des Stoffes, die diesem meist
nicht als ein Wesentliches anhaften und die weder auf Inhalt noch
auf Form des Werkes einen Einfluss äussern, mithin auch ohne
ästhetische Bedeutung sind. Die freiere Behandlung, welche die Ro¬
manform gestattet, hat allmählig dahin geführt, dass die grosse Masse
der Romanschreiber kaum noch daran denkt, dass ihre Aufgabe ist,
ein Kunstwerk herzustellen. Die meisten modernen Romane enthalten
nur elementare Schönheiten und erfüllen die Bedingungen des Kunst¬
werkes nicht. Viele können nur dem verzierenden Schönen beigezählt
werden, weil die realen Interessen des Zeitvertreibs, der Befriedigung
politischer oder religiöser oder sozialer Partheileidenschaften oder die
Zwecke der Belehrung dabei vorherrschen und dem Schönen die freie
Entwicklung nicht gestatten.
14. Zu der epischen Dichtung gehören auch die Idylle, die Le¬
gende, das Mährchen, die Ballade und Romanze. Sie bieten sämmt-
lich Handlungsbilder und unterscheiden sich vom eigentlichen Epos
nur durch den geringem Umfang der Handking und durch die ge¬
drängtere Darstellung. Vis eher rechnet mit Unrecht die Ballade
und Romanze zur lyrischen Dichtung; seine Beweise sprechen selbst
gegen ihn (III. 1367). So wie es kleine Arten des Epos giebt, so
auch kleinere Arten des Romans, für die der Name Novelle ge¬
bräuchlich ist. Es ist irrig, wenn man nach einem innern Unterschied
von beiden sucht. Man hat neuerlich gesagt, »dass die Darstellung
»einer eigenthümlichen Thatsache aus dem Schicksale oder Seelen-
» leben eines Einzelnen das Ziel der Novelle sei, während der Roman
»diesen engen Kreis zu einem Bild des Gesammtlebens erweitern und
»in Beziehung und Gegensatz zu der ihm umgebenden Welt setzen
»soll« (National-Zeitung No. 538. 1867). Allein abgesehen von der
Grösse oder Kleinheit des Stoffes wäre dies nur der Unterschied, dass
der Roman neben der Handlung auch die Weltlage (II. 117) bieten
müsse, die Novelle aber nur die Handlung. Dieses letztere ist aber
unmöglich, wie früher (II. 131) gezeigt worden; auch die kleinste