Vorwort.
Das nachstehende Werk beschränkt sich auf die obern Begriffe
uüd Gesetze im Gebiete des Schönen. Der Titel würde deshalb rich¬
tiger: Philosophie des Schönen lauten; das Wort: Aesthetik ist nur
gewählt worden, weil es das bekanntere und geläufigere ist.
Die Eigentümlichkeit des Werkes Jst in den Worten: »Auf
realistischer Grundlage« angedeutet. Das Prinzip der Beobachtung,
was im Gebiete der Natur seit drei Jahrhunderten mit so glänzenden
Erfolgen angewendet worden, ist hier auch auf das Gebiet des Schönen
ausgedehnt worden. In der bewussten, offenen und umfassenden Weise,
wie hier, ist dieB bis jetzt noch nie geschehen und es darf deshalb
nicht überraschen, wenn Ergebnisse erlangt worden sind, welche zwar
von den, in den Systemen jetzt herrschenden Ansichten, erheblich ab¬
weichen, aber vielleicht für das Verständniss des daseienden Schönen
weiter führen, als jene.
Idealismus und Realismus sind die beiden grossen Gegen¬
sätze, in denen die Philosophie seit ihrem Bestehen sich bewegt; alle
andern Systeme sind nur Modifikationen jener.
Das Wesen beider liegt in den Quellen, aus denen sie den Inhalt
schöpfen. Der Idealismus lässt nur das Denken, oder die Vernunft,
als die Quelle der Wahrheit zu; der Realismus dagegen erkennt nur
die Sinnes- und Selbstwahrnehmung als die Quelle an, aus
welcher der Inhalt des Seienden gewonnen werden kann ; das Denken
ist ihm nur ein Mittel, das Wahrgenommene su reinigen und das
Allgemeine daraus auszusondern.
Alle Unterschiede im Inhalte beider Systeme entwickeln sich aus
diesem Unterschiede ihrer Quellen.
Indem der Idealismus nur das Denken anerkennt und das
Wahrnehmen als die Quelle des Irrthums von sich weist, ist es na-