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Die Besonderung des Sinnlich-Angenehmen.
in Modellen dargestellt und in Gemälden und Zeichnungen abgebildet
und damit ihres Sinnlich-Angenehmen entkleidet werden. Nur die
lebhafte Vorstellung des früher gesehenen Bauwerkes kann hier
dies Element einigermaassen ersetsen.
34. Der Unterschied dieser Zurückführungen des Schönen der
bildenden Künste auf ein beschränkteres Aeussere gegen die Befesti¬
gung des dichterischen und musikalischen Schönen durch Lettern¬
oder Noten-Druck liegt darin, dass jene selbst in der dürftigsten Form
immer noch eine bildliche Darstellung einzelner Elemente des
Schönen enthalten, während die Lettern, und Noten bildlich gar nichts
mit diesen Elementen gemein haben, sondern nur Zeichen sind, welche
rein gedächtnissmässig damit verknüpft sind. Es ist deshalb bei
jenen Vereinfachungen bildlicher Kunstwerke trotz ihrer mechanischen
Vervielfältigung möglich, einen Kunstwerth ihnen zu erhalten, wäh¬
rend der blosse Lettern- oder Noten-Druck ein rein mechanisches Er¬
zeugnis wird.
35. Der grösste Werth jener mechanischen Vervielfältigungen
bildlicher Kunstwerke liegt indess darin, dass Unzählige dadurch mit
den wesentlichen Schönheiten dieser Werke vertraut werden können,
denen die Aufsuchung der Originale unmöglich ist. Dieser Umstand er¬
setzt hundertfältig die grössere Zahl der bildlichen Kunstwerke, welche
das Alterthum gegen die Neuzeit besass und widerlegt auch da¬
durch die viel verbreitete Meinung, dass der Sinn und der Genuss
des Schönen bei den Griechen allgemeiner gewesen sei, als in der
Gegenwart.
C. Der Werth des Sinnlich-Angenehmen.
1. Der Werth des Sinnlich-Angenehmen für das Schöne ist oben
bei Entwicklung seines Begriffs bereits angedeutet worden. Dieser
Werth liegt in der' Kräftigung und Verstärkung, welche die .von dem
Schönen erweckten idealen Gefühle durch den Hinzutritt realer Ge¬
fühle erhalten. Indem jene für sich leicht in Nebel und Unbestimmt-
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heit zerfliessen, werden sie davor durch den Hinzutritt der letzten
geschützt und deshalb hat die Kunst das Sinnlich-Angenehme für keine
Art ihres Schönen entbehren mögen. Man bemerkt die Wirkung dieser
realen Elemente am deutlichsten bei dem stillen Lesen eines Dramas
im Vergleich zu dein guten Vorlesen desselben und noch mehr im
Vergleich zu dessen Aufführung. Bei der Aufführung tritt allerdings