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Die Idealisirung in der Musik.
6. Die grossen Unterschiede, welche das Musikalisch-Schöne
durch die Idealisirung gegen sein Reales annimmt, sind es, welche
Hanslick irregeführt und zu der Behauptung verleitet haben, dass
für das Musikalisch-Schöne überhaupt kein Reales bestehe, dass die
Musik kein Bild sei, sondern dass sie schön sei durch sich selbst und
nicht durch ihre Bedeutung. Er vergleicht sie deshalb mit dem Ka¬
leidoskop ; allein er muss sofort dieses Gleichniss verwerfen und aner¬
kennen, dass das Werk der Musik eine That des Geistes ist Soll
aber der Geist hier nicht blind und zufällig, wie das Kaleidoskop,
wirken, so muss er einen Anhalt, eine Regel oder ein Vorbild haben,
nach dem er schafft. Damit zeigt sich schon die Nothwendigkeit
eines Realen. Hanslick sucht nun dieses Reale in blossen Formen;
consequent hätte ihn dies zu dem ästhetischen Prinzip von Herbart
Und Zimmermann führen müssen. Allein auch die blossen Beziehungen
und Verhältnisse sind ihm nicht genug; er setzt deshalb das Wesen
der Musik in die Idee; allein bei ihrer nähern Bestimmung soll
diese Idee in der Musik nur ein Tonliches und kein Begriffliches
(Hanslick S. 36) sein und so bleibt für Hanslick als letztes das Musi¬
kalisch-Schöne an sich; er ist nicht im Stande, sein Wesen näher
zu bezeichnen, d. h. er vermag es nicht wissenschaftlich zu erfassen.
7. Auch Vis eher ist durch die starke Idealisirung der Musik
gehindert worden, ihre Natur richtig zu erfassen. Er gesteht zwar,
»dass ihr Stoff, ihr Nachahmungsgegenstand das Gefühlsleben sei«
(III. 816), und von der Idee spricht er hier nicht. Allein er sagt
weiter: »Das Wort Stoff passt eigentlich nicht, weil Stoff einen Gegen-
» stand bezeichnet, der dem Künstler klar als Objekt gegenübersteht;
»wogegen das Gefühlsleben auch in seiner Formbestimmtheit vor der
»Darstellung so dunkel ist, dass der Künstler diese Form wo ganz
»Andersher entlehnt.« Und weiter (III. 830): »Die Musik giebt das
»Gefühl in seiner Reinheit, d. h. in seiner Bewusstlosigkeit; aber
»darum ist der tiefe Mangel des Gefühls auch der ihrige. An be-
» stimmten Gegenständen schliesst sich der ganze Reich thum der Ge-
» fühle auf.«
8. Hier ist Inhalt und Form der Musik vermengt. Der Inhalt
der Musik ist, wie der jeder andern Kunst, das Gefühl des Mensc
in seinen mannichfachen Besonderungen der Lust und des Sittlich
Diese Gefühle sind aber seiende Zustände der Seele, im Gegens
zu ihrem Wissen; sie können deshalb in keiner Kunst an sich seil
ein Wissen oder ein Bewusstes sein; sie sind überall nur ein Geg<
stand des Wissens der Seele. Sie sind aber deshalb nichts Dunkl
vielmehr giebt die Selbstwahraehmung von ihnen genau dieselbe Kun