Die Bildlichkeit der bildenden Künste. 201
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sind nur sehr vereinzelt in ihr zu finden. Der farnesische Stier, die
Gruppe Pätus und Arria, der Laokoon gehören dahin, aber letzterer
‘ neigt schon zu dem Stimmungsbilde. Nur in dem Relief, wo die
Behandlung des Materials weniger schwer ist, finden sich mehr Hand¬
lungsbilder; doch bleibt selbst hier das Stimmungsbild vorherrschend;
Festzüge, Opfer, Kampfspiele, Triumphzüge, das friedliche Leben der
I Götter im Olymp bilden den Stoff für die meisten Friese und Metopen
der griechischen Tempel.
24. Als Element der Bildlichkeit benutzt die Plastik nur die
körperliche Gestalt; die Gleichheit der Grösse ist bei ihr zufällig; oft
fehlt sie. Auch in dem Relief ist noch die dritte Richtung des Rau¬
mes, wenn auch im mindern Maasse vorhanden; es bildet den Ueber-
gang zur Malerei. Indem die Gestalt das Einzige ist, durch welches
, die Plastik das Bild ihres Realen darstellt, ist sie darauf angewiesen,
dieses Element mit desto grösserer Sorgfalt zu behandeln. Durch
diese Beschränkung ist diese Kunst von selbst dazu genöthigt, die
menschliche Gestalt in der höchstem Reinheit zu bieten; und es erklärt
sich, dass gerade die Plastik die ideal-schöne Gestalt des Menschen
und seiner Götter zuerst aufgefunden und dargestellt hat. Indem aber
die Plastik nur die Gestalt als Element ihres Bildes benutzt, kann
von dem Besondern der darzustellenden Persönlichkeit Vieles nur
schwankend oder gar nicht angedeutet werden. Zur Erhöhung der In¬
dividualität ihres Bildes benutzt sie deshalb die Attribute, welche
theils in der Kleidung, theils in Waffen und Werkzeugen, theils in
beigegebenen Thieren bestehen und das in der Person gegebene Stim¬
mungsbild näher bezeichnen und verständlicher machen.
25. Man sieht, wie alle diese Bestimmungen einfache Folgen des
Materiales sind, in dem diese Kunst ihre Bilder darstellt. Es bedarf
zur Begründung und Rechtfertigung jener Folgen durchaus keiner
dialektischen Entwicklung der dieser Kunst angeblich unterliegenden
logischen Idee; vielmehr ist solches Gedankenspiel erst nachträglich
ersonnen, um den durchaus natürlichen Folgen realer Bestimmungen
den Schein einer logischen und spekulativen Entwickelung zu geben.
Wenn Vischer sagt (III. 339): »Indem die Baukunst dem Unorga¬
nischen im Gebiet des Naturschönen entspricht, fordert es die innere
»Nothwendigkeit des Fortschrittes der Kunst, dass sie in der Plastik
»vom Naturschönen zur beseelten organischen Gestalt übergeht,« so
würde doch schon die Baukunst dies gethan haben, wenn ihr Material
sie nicht auf die Darstellung des Hauses beschränkt hätte und um¬
gekehrt würde die Plastik sich nicht auf den Menschen beschränkt