Die Bildlichkeit der bildenden Künste.
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[ Gebrauch nicht mehr, als der Kalkstein, das Holz und das Eisen;
| wenn dessenungeachtet jene für das Kunstbauwerk gewählt werden,
i so zeigt dies, dass es aber den realen Gebrauch sich erheben und nur
! ein Schönes sein will.
10. Die Elemente der Bildlichkeit sind bei dem Kunstbauwerke
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noch zahlreich, weil das Material vielfach noch dasselbe ist, was fOr
das reale Haus verwendet wird, und weil in der Gestalt und Ein-
theilung des Innern und Aeussern das reale Haus als Vorbild bei¬
behalten wird. Der Unterschied des Kunstwerkes von seinem Realen
liegt hier in seiner Grösse, in Hervorhebung der Bestandtheile, welche
dem Idealen dienen, in Benutzung edlerer Formen und eines kost¬
barem Materiales fur die sichtbaren Theile. Auch die Idealisirung
tritt hier unterstützend ein. Daraus erklärt sich, wie der gothische
Dom, der forstliche Pallast, das Rathhaus grosser Städte kaum noch
eine Aehnlichkeit mit den ursprünglichen einfachen Gottes- und Wohn¬
häusern haben, welche nur für das reale Bedürfniss errichtet wor»
den sind.
11. Das Gebiet der schönen Baukunst ist durch sein Reales,
das Haus, von selbst bestimmt. Während das landschaftliche Kunst¬
werk, der Park, nur die reale landschaftliche Natur bildlich darstellen
kann, kann die Baukunst nur das reale Haus bildlich in ihrem Kunst¬
werk darstellen. Dies reale Haus hat indess ein ausgedehntes Gebiet;
es umfasst, wie erwähnt, nicht nur das Haus Gottes, des Fürsten,
der Gemeinde und der Familie, sondern auch die Häuser der Todten
und alle jene Gebäude, welche von dem Hause ihren Ursprung neh¬
men; so die Thore, die Thürme, die Mauern, die Gewölbe, die Galle-
rien, die Säulengänge u. s. w. Sie warSn ursprünglich Theile des
Hauses, welche aber im Dienste des Schönen um so leichter zu selbst¬
ständigen Kunstwerken erhoben werden konnten, als der reale Ge¬
brauch bei ihnen nur nebensächlich eintrat und die Künstler keine
oder nur eine geringe Rücksicht darauf zu nehmen brauchten. An die
reinen Kunstwerke in dieser Gattung, wie die Mausoleen, Pyramiden,
Triumphbögen, Thore, Säulengänge schliessen sich dann die realen,
aber reich verzierten Bauwerke der Felsengräber, der Wasserleitungen,
der Kloaken, der Brücken, der Portale an, welche nicht mehr zu den
Kunstwerken, sondern nur zu dem verzierenden Schönen gehören.
12. Indem das reale Gebiet der Baukunst sich auf das Haus
und dessen einzelne Theile beschränkt, ist dieser Kunst sowohl die
landschaftliche, wie die organische Natur und der Mensch verschlossen.
Sie kann deshalb auch keine Handlungsbilder, sondern nur Stimmungs¬
bilder bieten, und auch diese nur vermittelt durch das Seelenvolle