Die Natur als seclcnvolles Beale.
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1 Wasserleitungen, die Gräben, die Strassen, die Bebauung des Bodens
die Meublen u. s. w. Das Schöne erstreckt sich auch auf dieses Ge¬
biet; und zwar nicht in dem Sinne eines verzierenden Schönen, wel¬
ches absichtlich diesen Dingen angehangen wird, sondern diese von
dem Menschen im Dienst des realen Lebens geschaffenen Werke haben
als solche eine Beziehung auf das Schöne, gleich den Dingen der
Natur.
41. Wenn diese Werke des Menschen bald als schön, oder
hässlich, bald als erhaben oder gemein gelten, obgleich bei ihrer Her¬
stellung nur die realen Zwecke des Lebens beachtet und au Schön¬
heit nicht gedacht worden ist, so kann ihr Eintritt in das Schöne nur
auf denselben Grundlagen, wie bei dem Naturschönen beruhen. Das
Seelische ist in ihnen selbst nicht wirklich vorhanden; der Mensch
schiebt es ihnen nur unter, vermöge der Beziehungen, in welche es
zu ihm tritt. Von den beiden Grundlagen der Aehnlichkeit und der
Ursächlichkeit ist indess bei diesen menschlichen Werken nur die
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letztere wirksam; sie erhält aber hier eine ausgedehntere Bedeutung,
weil nicht blos die Wirkungen hier in Rücksicht kommen, welche der
' Gegenstand auf das Gefühl des Menschen ausübt, sondern auch die¬
jenigen Gefühle uud Zwecke, welche die Hervorbringung und Herstel¬
lung desselben veranlasst haben.
42. So sind'die Waffen des Menschen ein Seelenvolles und
, damit ein Stoff für- das Schöne; nicht blos wegen der Wirkungen,
welche ihr Gebrauch bei dem Gegner hervorbringt, sondern auch wegen
der Zwecke der Vertheidigung, der Macht, der Freiheit und Ehre,
deren Erreichung sie dienen und um deretwillen sie von dem Men¬
schen gefertigt werden. So ist ein Grab bedeutend, nicht wegen der
Wirkung, welche es äussert, sondern wegen des Anlasses, der zu
dessen Bereitung nöthigt und wegen der Schmerzen, welche mit
diesen Anlässen sich verbinden. So ist das Spinnrad ein Stoff für die
Kunst, nicht blos wegen des Nutzens, der sich aus dessen Gebrauch
herausstellt, sondern auch wegen der Lust der Geselligkeit, des Scherzes,
der Winterfreuden, des stillen Fleisses, welche mit dem Spinnen in
der ländlichen Bevölkerung sich verbinden.
43. Auf diesen Beziehungen beruht ausschliesslich die Be¬
deutsamkeit der menschlichen Werke für das Schöne. Sie bilden für
die Kunst einen reichen Stoff, der für kleinere Kunstwerke sogar den
ausschliesslichen Inhalt abgeben kann und bei grossem das Schöne
der menschlichen Gestalt und des menschlichen Handelns unterstützt
und steigert. Deshalb gaben die Griechen selbst den nakteu Statüen
einen Helm oder einen Mantel oder ein Schwert; Amor hat den Kö-
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