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Die Natur als seelenvolles Beale.
mels auf dem reinen Blau seiner Farbe; die Schönheit der Gebirge
auf den Linien ihrer Umrisse, auf der Milde und Schattirung ihrer
Farben; die Schönheit der Flüsse auf ihren Windungen, ihrer sanften
Bewegung und auf ihrer Kühle; die Schönheit des Sommers auf der
belebenden Wärme, auf dem Grünen und Blühen der Pflanzen u. s. w.
26. In den Pflanzen treten zu diesen Elementen noch Bestim¬
mungen hinzu, welche eine grössere Aehnlichkeit mit medhchlichen
Zuständen vermitteln und dadurch ihr Seelenvolles erhöhen. Die
Pflanze hat einen organischen Bau, einen Umlauf der Säfte, ein Kei¬
men, Wachsen, sich Nähren und Absterben, wie der Menseh. Es liegt
also nahe, in erregter Stimmung ihr auch eine Seele beizulegen und da¬
mit dieselbe Grundlage für das Seelenvolle und Schöne in ihr zu ge¬
winnen, welche bei den Thieren besteht Der Hörer folgt gern diesen
Beziehungen des Dichters; bei vielen Völkern kommt auch der reli
giöse Glaube zu Hülfe, welcher alle oder einzelne Bäume zum Sitz
eines göttlichen Wesens erhebt
27*. Aber auch ohne diese Hülfe zeigen die Pflanzen und Bäume
in ihrem Wachsen, Blühen, in der Gestalt ihrer Blätter und Blumen,
in der Festigkeit ihres Stammes, in der Fülle und Wölbung ihrer
Kronen bald ein Bild von Kraft, Ebenmaass und Hoheit, bald von
stiller Ruhe und Bescheidenheit, bald von Uebermaass und Ausartung;
und bieten damit die hinreichenden .Grundlagen, sie als ein Seelen¬
volles und zwar bald als ein Schönes, bald als ein Hässliches zu neh¬
men. Endlich sind auch die wohlthätigen oder schädlichen Einflüsse
auf den Menschen ein Bestimmungsgrund für die Schönheit oder Häss¬
lichkeit der Pflanzen. Der dichtbelaubte Baum gilt wegen seines küh¬
len Schattens als schön; die Pfirsiche, die Melone gilt wegen ihres
angenehmen Geschmackes, schon vor dem Zerschneiden, als schön und
die Dornenhecke, der Giftpilz gelten als hässlich wegen der Schmerzen,
die sie dem Menschen bereiten.
28. Wenn endlich nach dem Grunde der Schönheit einer Land¬
schaft gefragt wird, so erhellt, dass sie zunächst auf der Schönheit
der einzelnen Gegenstände, der Pflanzen, der Thiere beruht, welche
ihre Bestandtheile bilden. Es sind die Berge, die Thäler, die Flüsse,
die Wiesen, die Wälder, die Felsen, der Vordergrund mit seinen Ba i-
grappen, mit seinen Blumen und weidenden Thieren, welche >r
Allem die Schönheit der Landschaft bestimmen. Wenn darüber hii is
in der schönen Landschaft auch noch Mannichfaltigkeit, Einheit des ( ►
zen und eine Lösung gefordert werden, so gehören diese Bedingür n
in die Lehre von dem Kunstwerk und werden dort erörtert wer i.
29. Aus dem Prinzip, auf welchem die Schönheit der Natur !-