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KARL GROOS.
wußtseins beeinflussen — erst dann erleben wir eine wirkliche »Ge¬
mütsbewegung«.
Die Visceralempfindungen. — Die Anhänger unserer Hypo¬
these haben sich auch die Frage gestellt, welche unter den verschie¬
denen Gruppen von Organempfindungen für das Gefühlsleben am
wichtigsten sei. In dieser Hinsicht hat der eine Begründer der Theorie,
K. Lange, das Bewußtsein der »vasomotorischen« Veränderungen
in den Blutgefäßen für ausschlaggebend gehalten, während W. James
den »Visceralempfindungen« der Herz-, Atmungs-, Magen- und
Darmtätigkeit den ersten Rang einräumt. Unsere Kenntnisse reichen
hier zu einer sicheren Entscheidung noch nicht aus. Aber wenn ich
dennoch Partei ergreifen sollte, so würde ich unbedingt der Ansicht
von James den Vorzug geben. Macht man die vorläufige Annahme,
daß diejenigen Gebiete, welche unter den allgemein anerkannten Körper¬
empfindungen die am stärksten emotional gefärbten Eindrücke liefern,
zugleich auch am meisten für die »höheren« Gefühle in Betracht
kommen, so wird man jedenfalls auf die Visceralempfindungen
und unter ihnen wieder auf die Sinnesdaten der komplizierten
Ernährungsapparate besonderen Nachdruck legen müssen.
Denselben Gedanken legen die Ausfallserscheinungen nahe, wie
sie bei jener Frau Alexandrine X. und bei anderen Personen be¬
obachtet worden sind. Ich möchte annehmen, daß der indirekte
Einfluß der Blutversorgung auf die visceralen Prozesse von größerer
Bedeutung für die Gemütsbewegungen ist, als es die direkt mit
den Veränderungen in den Blutgefäßen verbundenen Empfindungen
sind.
Schließt man sich der Ansicht von James an, so hat man das
emotionale Hauptgebiet etwa da zu suchen, wo es auch Plato zu
finden glaubte, wenn er die Affekte und Begierden in die Brust und
in die Gegend unter dem Zwerchfell verlegte, Je mehr ich mich selbst
beobachte, desto deutlicher meine ich zu erkennen, daß in der Tat die
Affekte und Stimmungen erst hier ihre wichtigste Grundlage finden.
Mögen sie weiter »draußen« beginnen und endigen, mögen speziell
auch die von K. Lange betonten »vasomotorischen« Vorgänge von
selbständiger Bedeutung sein: hier erst scheinen mir die Gefühle jene
»lebhafte Innigkeit« zu gewinnen, von der Lotze gesprochen hat.
Selbst die elementare Lust an einer schönen Farbe wird zu der »in
mir hervorbrechenden« Freude nicht ohne physiologische Veränderungen
im Innersten meines Organismus, die sich in gefühlsreichen Empfin¬
dungen geltend machen. Wenn manche Personen die schöne Farbe
mit einer Bewegung des Einatmens gleichsam aufsaugen, so möchte
ich annehmen, daß sie die Atembewegung unbewußt als Mittel ver-