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Der Fall Wagner.
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„Ich wünschte ein Riese zu sein mit Größe und Stärke der
Weltallmasse. Einen glühenden Pfahl wollte ich dann nehmen
und ihn der Erde in den Leib bohren. Von Pol zu Pol, von der
Erde Scheitel bis zur Sohle wollte ich ihn durchtreiben. Den
Äquatorwanst wollte ich anzapfen; ausquetschen wollte ich den
angebohrten Erdenleib, zu allen Löchern sollte die Lava heraus¬
spritzen, und sollte ich mir gleich die Hand dabei verbrennen.
Hörst du mich nicht, alter Jehovah? Habe ich dich umsonst verherrlicht?
Hörst du nicht, wie mich die Philisterbrut höhnt? So laß doch die
Haare meiner Kraft wachsen gleich dem längsten Kometenschweif, daß
ich fassen kann die zwo Säulen, auf denen der Erde Bau gegründet
ist, daß ich sterbend meinen Spaß haben kann bei der Erde
letztem Hosenlupf!“
Mit Seite 288 nähern wir uns den letzten Wochen vor Ausführung
der Mordtaten Wagners. Er berichtet von einem Besuch in Mühl¬
hausen, wohin er seine zwei Mädchen zum Ferienaufenthalt zur
Großmutter gebracht hat. Er schreibt dabei:
„Käme es auf mich an, sie dürften keinen Schritt in das Nest tun,
das mich zugrunde gerichtet hat. Aber ich kann ihren Wünschen keinen
stichhaltigen Grund entgegensetzen. Es ist furchtbar, wie ich mich in allem
fügen muß, wie ich mich ängstlich vor Selbstverrat hüten muß. So rede ich
mir auch selbst vor, es sei nötig, daß ich mich in Mühlhausen zeige, mein
Erscheinen soll den Mühlhäusern mein gutes Gewissen beweisen. Die
Mühlhäuser sind mir ins Gesicht höflich und freundlich, aber
s’ ist alles Falschheit. Ich weiß das gewiß, es ist überhaupt
alles falsch gegen mich; nur wenige Menschen kenne ich, denen
ich Aufrichtigkeit zutraue. Das sage ich nicht, um mich zu beklagen.
Ich habe kein Recht dazu, weil mein eigenes Leiden auf Verheimlichung
und Lüge steht. Aber bei mir bedeutet das Bekenntnis der Wahrheit den
Tod. Und es fällt mir doch recht schwer zu sterben. Ich sterbe
keineswegs gern, wie ich euch im Nazarener vorgeredet habe. Zuweilen
überfällt mich ein wahrer Lebenshunger. Doch fürchtet nichts ! Ich erfülle
das Gesetz meines Lebens.“
„Wie schön doch der Ort meiner Todsünde daliegt! Wärs doch ein
wüster Sumpf, das würde stimmen. Ich will die Berge lösen und den Fluß
damit stauen, daß sie alle ersaufen, Mensch und Schnaken. Es ist alles Ein
Ungeziefer.“
Wagner erwähnt dann, daß er ein Auto in Mühlhausen gesehen
habe und knüpft daran Erwägungen, inwieweit dieses Auto seinen
Mordplan zu stören vermöchte; es könnte ihm dadurch unmöglich
gemacht werden, Mühlacker zu erreichen. Er schreibt:
„Ich habe mir darum folgenden Plan zurechtgelegt: Ich wende mich
gleich dem Walde der Seeeiche zu und erwarte dort den Schnellzug. Den
Bahnwärter schlage ich in seinem Häuslein tot und schleppe ihn auf die