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Der Fall Wagner.
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geboren den n. Dezember 1907, endlich Rudolf Alfred, geboren
den 9. Juli 1909. Letzterer ist schon nach 2 Monaten gestorben,
die anderen 4 sind am 4. September 1913 ermordet.
Bevor Wagner seine Taten ausführte, hatte er eine Anzahl
von Vorkehrungen getroffen und auch verschiedene Briefe ge¬
schrieben, die bei den Akten gesammelt sind. Für das Verständnis
seiner Handlungen sind von besonderem Interesse die Briefe an
die Redaktion des Neuen Tageblattes vom 4. September 1913, an
seinen Freund, den Hauptlehrer H. vom 26. August 1913, an die
Familie S. (ohne Datum), an seine Schwester Luise (ohne Datum)
und an seine Schwester Pauline vom 28. August 1913- Der Redak¬
tion des Neuen Tageblattes übersandte er 2 Erklärungen, die erste
überschrieb er „An mein Volk“, die zweite „An die Lehrerschaft“.
In der erstgedachten Erklärung heißt es: „Es ist des Volkes viel zu
viel, die Hälfte sollte man gleich totschlagen. Sie ist das Futter
nicht wert, weil sie schlechten Leibes ist. Von allen Erzeugnissen
des Menschen ist ausgerechnet der Mensch das schlechteste. Hielte
mich nicht das eigene Jammerbild davon ab, so würde ich euch
sagen, wie sehr mich vor all diesen häßlichen, kümmerlichen, siechen
Menschen ekelt.
Woher kommt das Elend? Das, meine ich, kann euch niemand
besser sagen als ich. Es kommt her von der geschlechtlichen Un¬
natur. Das heutige Geschlecht leidet am Geschlecht. Es ist ein
billiger Spaß, mit dem Finger auf mich zu deuten; jeder von euch
täte besser, er gedächte seiner eigenen Sauerei.
Ich habe viel leiden müssen. Ich bin verspottet und gehetzt
worden von gemeinen Menschen. Ich könnte von einer abgrund¬
tiefen Niedertracht der Menschen erzählen, wenn ich nicht glaubte,
daß ich mich selber dabei nur blamierte.
Wem habe ich Übles getan? Es soll der auftreten, dem ich
zu Schaden gelebt habe.
Aber ihr nehmet Anstoß an meiner Sünde? Oh der Lüge!
Die allergrößte Freude hat sie euch bereitet. Das war ein Fressen
für euern schmutzigen Rüssel.
Anstoß habe nur ich daran genommen. Ich habe mich zum
Tode verurteilt. Ich habe das Urteil nicht vollzogen, weil ich ein
schwacher Mensch war. Heute kann ich sagen, daß mir der Tod
kein Grauen mehr einflößt, ich bin gesättigt mit Qual, ich fürchte
nichts mehr, wie ich nichts mehr erhoffe.
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