10
Der Fall Wagner.
[196
Armen und am linken Daumen Verletzungen hatte, ist zu schließen,
daß sie Abwehrbewegungen ausgeführt hat ; ob mit oder ohne Be¬
wußtsein, war nicht festzustellen. Wagner selbst versichert, daß
sie gestorben sei, ohne zum Bewußtsein gekommen zu sein. Die
Lage, in der die Leiche gefunden wurde (das linke Bein hing über
den Bettrand heraus), gestattet kein sicheres Urteü darüber, ob
etwa irgend ein Kampf stattgefunden hat. Doch liegt für mich
kein Grund vor, den Angaben Wagners irgend zu mißtrauen. Nur
mit Nachthemd und Socken bekleidet, ging er sodann — ich folge
hier immer seiner eigenen Schilderung — mit dem Dolche in der
Hand zunächst in das Schlafzimmer seiner beiden Knaben Robert
und Richard, die er durch mehrere schwere Lungen-, Herz- und
Halswunden tötete. Aus dem Obduktionsprotokoll geht hervor,
daß auch hier ein rasches Ende durch Verbluten eingetreten sein
muß. Dann ging er durch die Küche hindurch in das Schlafzimmer
seiner beiden Töchter Klara und Elsa und tötete auch diese durch
Stiche in das Herz und den Hals, die den raschen Tod unzweifelhaft
zur Folge hatten. Ob die in den Akten sich findende Annahme,
daß die ältere Tochter Klara Wagner beim Empfang der schweren
Wunden bei Bewußtsein war, zutrifft, mag dahingestellt bleiben.
Auch ein in tiefem Schlaf Befindlicher macht Abwehrbewegungen,
wenn man ihm plötzlich starken Schmerz zufügt. Die anfängliche
Äußerung Wagners, er habe auch bei den Kindern oder einem
der Kinder vor dem Dolch den Totschläger zur Betäubung an¬
gewandt, hat er später selbst als unsicher bezeichnet; bestimmt
wisse er nur, daß er seine Frau vor dem Totstechen betäubt habe,
um ihr jeden Widerstand unmöglich zu machen. Den Leichnamen
zog Wagner die Bettdecke (er hatte sämtliche Familienglieder in
ihrem Bett liegend während ihres Schlafes ermordet) über Gesicht
und Körper. So wurden sie am Vormittag des 5- September durch
die Polizeibeamten auch tatsächlich vorgefunden. Das blutige
Nachthemd warf Wagner in sein eigenes Bett, wo man es bei der
Besichtigung der Wohnung vorfand. Dann wusch er sich, kleidete
sich an, ließ den Dolch in einer Schublade des Vertikows liegen,
ohne ihn vom Blute zu reinigen, holte sich seine 3 Schußwaffen,
seine reichliche Munition von über 500 Patronen und die Eisen-
’ kloben (s. unten) aus dem höher gelegenen Mansardenzimmer,
nahm einen seiner Frau gehörigen schwarzen Schleier, einen
Leibriemen, eine Mütze, einen Ausschnitt aus einer schwäbischen