Der ästhetische Zustand des Subjektes.
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musikalischen Instrument zu Gehör bringen. Ebenso läßt
sich ohne besonderen Aufwand psychischer Arbeit die
Figur vorstellen, welche „durch symmetrische Übereinander¬
legung zweier kongruenter gleichseitiger Dreiecke mit
Höhenrichtungs- und Mittelpunktsdeckung“ entsteht 5 wenn
man nur weiß, was Symmetrie, Kongruenz usw. sind, stellt
man damit einen ganz bestimmten Gegenstand vor, allerdings
nur unanschaulich, indem man die Bedeutung der Wörter,
die soeben zu seiner Bezeichnung verwendet wurden, in
der angegebenen Verbindung miteinander denkt. Man
braucht dabei gar nicht zu wissen oder darauf zu kommen,
daß dieser Gegenstand identisch ist mit dem, der sich
anschaulich als jener wohlbekannte regelmäßige sechs¬
zinkige Stern darbietet, dessen Bau so übersichtlich und
klar, und dessen Anblick so wohlgefällig ist.
Die vorgeführten Beispiele lassen erkennen, daß von
den beiden Arten von Vorstellungen nur die
anschaulichen als Voraussetzung ästheti¬
scher Gefühle in Betracht kommen. Die Ge¬
stalt der Ellipse gewährt einen ästhetisch erfreulichen An¬
blick, die Gleichung, in der die analytische Geometrie
dieselbe Gestalt dem Intellekt zu erfassen bietet, regt das
ästhetische Gefühl weder nach der einen noch nach der
anderen Richtung an.'*3’’) Ob nun die unanschaul-ichen
Vorstellungen überhaupt jemals als ausschließliche Gefühls¬
voraussetzung fungieren, mag hier dahingestellt bleiben.
*) Freilich ist im Falle, daß die Ellipse durch die Gleichung
gedacht wird, auch der immanente Gegenstand nicht mehr „Gestalt
im Sinne der 2. Klasse der Elementargegenstände.