Die Kunst. 3^9
Kunstgenießenden, zum Teile wenigstens, als Gegenstand
der Illusion bezeichnet werden.
Bei einem guten Bilde, einer guten Plastik schaut es
so aus, als wenn das Dargestellte wirklich da wäre. Die
Dichtkunst und das Theater führen uns Vorgänge und
Erlebnisse so vor, als wenn sie sich wirklich ereignet
hätten oder sich vor unseren Augen abspielten. In jedem
solchen Kunstwerke wird dem Genießenden eine Wirk¬
lichkeit vorgetäuscht, die nicht da ist, er wird getäuscht,
aber „bewußt getäuscht“, in „künstlerische Illusion“ ver¬
setzt.
Diese bewußte Selbsttäuschung kann unter Umständen
eine bedeutende, freilich außerästhetische Lustzugabe zum
ästhetischen Genuß bringen, besonders beim Kunstkenner ;
nämlich die bereits unter den pseudoästhetischen Lust¬
faktoren besprochene Freude an gelungener «Nachahmung,
die Wertschätzung der Kunst des Künstlers. ■**■) Sie be¬
zeichnet also nicht das Wesen der Kunst. Das verbietet
sich schon deshalb, weil Kunstgenuß möglich ist ohne
Gedanken an den Künstler, überhaupt ohne den Gedanken
daran, daß das Dargestellte nicht Wirklichkeit ist. Am
deutlichsten tritt dies zutage in der Musik, der Architektur
und Ornamentik. Hier ist es eine ganz besondere Aus¬
nahme, wenn einmal der ausdrückliche Gedanke an die
Nichtwirklichkeit des durch den Gehalt des Kunstwerkes
Vorgestellten aktualisiert wird — und um den Gehalt
kann es sich da allein handeln, weil ja die Form ohne-
*) Vgl. s. 244 fr.