Zur Erklärung der ästhetischen Tatsachen.
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Wir können also, wenn es sich um Tatsachen der Er¬
fahrung handelt, auf eine Erklärung im strengen Sinne
des Wortes nicht Anspruch erheben; es fehlen beide Er¬
fordernisse dazu. Und wenn wir auch das eine durch
Anleihen aus dem idealen, apriorischen Gedankenkreise
decken könnten, so muß doch wenigstens fürs andere das
der zu erklärenden empirischen Tatsache eigene Gebiet
aufkommen, und dieses kann, was zur vollen Strenge nötig
wäre, nicht leisten. So müssen wir uns mit wenigstens
einem Surrogate begnügen, und es sind daher zwei Formen
des Erklärens, der Einsichtsvermittlung, des „Begreifens“,
„Verstehens“ empirischer Tatsachen möglich.
Entweder sagen wir zunächst : „Ursache“ ist die not¬
wendige und genügende Bedingung einer Tatsache, und
jede Tatsache, die eine Ursache hat, ist notwendig so be¬
schaffen, wie sie ist; und dann weisen wir durch empirische
Forschung die Ursache der zu erklärenden Tatsache nach
und vermitteln uns dadurch die Einsicht, daß sie auch
wirklich so sein muß, wie sie ist. Die Ablenkung einer
Magnetnadel aus dem Meridian gilt uns dadurch für er¬
klärt, daß wir den sie umkreisenden elektrischen Strom
als Ursache erkennen. Diese Erkenntnis gibt unter der
obigen apriorischen Voraussetzung wirklich die Erklärung,
d. i. die Einsicht in die Notwendigkeit der Ablenkung;
aber die Erkenntnis selbst ermangelt voller Evidenz, '•*')
*) Nämlich der Gewißheitsevidenz; sie kann immer nur Evi¬
denz der Wahrscheinlichkeit erlangen, wenn auch unter Umständen
so hohe, daß sie praktisch der Gewißheit gleichkommt und zur
vollen Sicherheit des Urteils längst genügt.