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Zusammenwirken cler Gefühlsfaktoren,
wirkt, obwohl es gar nichts besonderes sehen läßt, nur
weuen des vornehmlich durch seinen Titel bezeichneten
Gegenstandes nicht nur nicht ästhetisch erfreulich, sondern
geradezu abstoßend ; der ethische Abscheu vor dem Incest
regt sich so lebhaft, daß alle ästhetische Betrachtungsweise
unmöglich wird. Maxim Gorkis „Nachtasyl“ quält uns seine
vier Akte hindurch fast unausgesetzt mit den nieder¬
drückendsten Gefühlen des Grauens vor so viel Elend,
Cynismus und Verkommenheit. Kaum einen Augenblick ist
man imstande, sich zu ästhetischen Gefühlen zu erheben und
die Schönheiten zu genießen, die auch in diesem Stücke noch
lägen ; die ethischen und die Anteilsgefühle lasten, wiewohl
sie nur Phantasiegefühle sind, mit allzu schwerer Wucht auf
der Seele des Zuschauers. Dem Dichter, nebenbei be¬
merkt, erwächst in diesem Fall daraus kein Vorwurf; er
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hat es ja nach eigenen Äußerungen mit seinem Nacht¬
asyl auf etwas ganz anderes als auf ästhetischen Genuß
abgesehen.
Der zweite theoretisch wichtige Fall hat es nun aber
nicht mehr mit ethischen Phantasiegefühlen zu tun. Die
Scheinwelt, die der Dichter vorführt, leitet die Gedanken
des Lesers oder Zuschauers von den in ihr enthaltenen
ethischen Angelegenheiten über sich hinaus in die Dinge
der Wirklichkeit, so daß es unwillkürlich zu ethischen
Ernstgefühlen kommt. Bei der Besprechung des psychischen
Mechanismus der Tendenzwirkung war bereits von etwas
Ähnlichem die Rede. Jetzt liegt aber der Schwerpunkt
des Interesses nicht im Tendenzhaften, sondern in der
Beziehung auf das Ethische. Um solche Anwendung der