Pseudoästbetische Genußfaktoren.
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der Natur einen ästhetischen Vorsprung hat. Dies wird
an anderer Stelle zu besprechen sein. Hier hat es sich
darum gehandelt, das Wertgefühl herauszulösen, das in
der Nachahmung als pseudoästhetischer Faktor zur Geltung
kommt.
Daß er tatsächlich so beschaffen ist, wie er hier ge¬
schildert wurde, das findet sich auch in den Äußerungen
bestätigt, die man von Kunstkennern und von Laien vor
Werken, in denen die nachahmende Wiedergabe eines
Vorbildes besonders zu Worte kommt, vernimmt und die
zumeist die Natürlichkeit der Darstellung und die Kunst
des Malers oder Bildners rühmen. Und andererseits, daß
er nicht selbst ästhetischer, sondern nur pseudoästhetischer
Faktor ist, das merkt man dort, wo er aus dieser seiner
untergeordneten Rolle heraustritt, sich vordrängt, für sich
die Aufmerksamkeit beansprucht und dem rein ästhetischen
Genüsse nichts Wesentliches geboten wird. Es gibt ja
solche Werke auch in der Mal- und Bildkunst, in denen
der Künstler seine Virtuosität täuschend - natürlicher
Wiedergabe zu zeigen sucht, nicht nachahmt, um das
Objekt der Nachahmung dem ästhetischen Genüsse zu¬
gänglicher zu machen, sondern nachahmt, um nachzuahmen,
ohne dabei dem ästhetischen Genüsse mehr zu bieten als
das Objekt, das eben unter Umständen gar nichts bietet.
Das sind Virtuosenstücke, die wohl bestaunt werden, die
aber des ästhetischen Gehalts entbehren. Man denke
etwa an die Anekdote von Zeuxis und Apelles. Zeuxis
malt einen Knaben mit 1 rauben so natürlich, daß die
Vögel kommen und an den Trauben picken und Apelles