Der ästhetische Zustand des Subjektes.
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nach erst durch ein teilweise anderes, das ästhetische, er¬
setzt. Die Urteile, die der Hörer in gutem Glauben der
Erzählung nachgeurteilt hat, werden durch Annahmen er¬
setzt, die Ernstgefühle werden zu Phantasiegefühlen und
auf das ganze richtet sich allmählich das ästhetische Schauen.
Die wahre Erzählung hat vor der erdichteten die kräftigeren
Anteilsgefühle voraus, die erdichtete, daß das ästhetische
(Genuß-)Gefiihl durch diese nicht so leicht gestört wird. —
Man hat die Kunst und das ästhetische Genießen zum
Spiel in nähere begriffliche Beziehung gebracht und ge¬
meint, von diesem aus ein Licht auf deren Wesen fallen
lassen zu können. Es ist der Name eines unserer Größten,
an den sich diese Versuche knüpfen : Schiller. In der
heutigen Ästhetik haben sie besonders durch Karl Groos1
umfassende Bearbeitung erneutes Ansehen gewonnen und
zielen gegenwärtig vornehmlich darauf ab, die Kunst als
einen Spezialfatl des Spiels, den ästhetischen Genuß als
psychologisch wesensgleich mit dem Spielgenuß zu er¬
weisen.®)
Nun ist es jedenfalls von größter Wichtigkeit, sich des
Gemeinsamen, was Kunst und Spiel in ihrem Wesen
zeigen, klar bewußt zu sein. Man dient dadurch nicht
nur der vergleichenden Charakteristik, sondern schafft auch
eine Grundlage für weitere neue Erkenntnisse, besonders
wohl über Entstehung und Entwicklung des Ästhetischen.
Man darf aber über dem Gleichartigen das Unterscheidende
nicht übersehen.
U Carl Groos, Der ästhetische Genuß. Gießen 1902. S. 13 ff-