Der ästhetische Zustand des Subjektes. X 51
von, daß es im allgemeinen für den Genuß gleichgültig
ist, ob die Anteilsgefühle Lust oder Unlust sind.
Identisch sind sie also gewiß nicht mit dem ästhetischen
Vergnügen, wohl aber ebenso gewiß eine Voraussetzung, ein
wesentliches Erfordernis, eine Ursache desselben. Wir ver¬
langen von einem Schauspiel, daß es uns zu gemütlichem An¬
teil an den handelnden Personen zwingt, und eine Erzählung,
die den Leser kalt läßt, gefällt niemandem. Aber ebenso
gewiß wie die Einfühlungsgefühle können auch die An¬
teilsgefühle nicht direkt und selber die ganze psychische
Voraussetzung des ästhetischen Lustgefühles sein. Es wäre
unsinnig und widernatürlich zu meinen, daß eine emotio¬
nale Erregung an sich und ohne weiteres Ursache einer
zweiten emotionalen Erregung im selben Subjekt sein solle,
daß etwa — und dazu müßte man sich in Anbetracht
der Erfahrung unbedingt verstehen — eine Unlustregung
des Subjektes, z. B. Schmerz über den Untergang des
Helden, selbst schon und nur weil sie eben da ist, ein
Lustgefühl, den ästhetischen Genuß auslöse.*)
*) Die Aristotelische Katharsistheorie ist nach Bergers Deutung
im wesentlichen identisch mit diesem Gedanken und sie widerlegt
sich daher, sobald er nur einmal klar herausgelöst wird, meines Er¬
achtens von selbst. Der Hinweis auf die wohltuende ,,Entladung
der Affekte“ nimmt freilich leicht gefangen. Aber die Entladung
der körperlichen Kräfte, von der das verführerische Bild wohl ge¬
nommen ist, löst Organempfindungen aus, die lustbetont sind. Das
kann man von den sich entladenden Affekten nicht im gleichen
Sinne sagen. Und die Entladung der Verzweiflung z. B. wenn
der Ausdruck unter Bergers Voraussetzung überhaupt einen Sinn
hat, da man doch von einer speziellen Verzweiflungsdisposition