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Eduard Sievers.
Stocks liegt). Bei s/s-, 2/4- und 4/s-Takt wird ferner vom Ellbogen¬
gelenk aus geschlagen, bei 6/s und 3/4 vom Schultergelenk aus,
aber so, daß die Hauptarbeit vom Unterarm (vom Ellbogen abwärts)
geleistet wird; bei 4/é und 2js arbeitet auch der Oberarm energisch
mit (das Schultergelenk ist also das eigentliche aktive Schlaggelenk) ;
hei Takten noch höherer Ordnung (wie etwa 3/j, 6/4 u. ä.) rückt das
Schlaggelenk weiter bis zur Achsel vor (so daß also das ganze Schulter¬
blatt mitbewegt wird). Für die Umlegstimme U ergeben sich die
entsprechenden Unterformen einfach durch die Umlegung des Takt¬
stocks. Übrigens gelten alle diese Verschiedenheiten von Griff und
Schlaggelenk auch für bogen-, kreis- und schleiftonige
Parallelformen der besprochenen Takte. Man vergleiche etwa Bei¬
spiele (aus Goethe) wie
2/4N — grad-falltonig (Fig. 80):
Dich ergriff mit Gewalt der alte Herrscher des Flusses,
Hält dich und teilet mit dir ewig sein strömendes Reich.
(Endobergriff mit Auflegen des Zeigefingers, Ellbogen);
4/4 N — bogend-falltonig (Fig. 22):
Was bedächtlich Natur sonst unter viele verteilet,
Gab sie mit reichlicher Hand alles der Einzigen, ihr.
(Endobergriff ohne Fingerauflage, Schulter);
6/s N — grad-f alltonig (Fig. 46):
Flach bedecket und leicht den goldenen Samen die Furche,
Guter! die tiefere deckt endlich dein ruhend Gebein.
(Mitteluntergriff; Schulter, doch mit Betonung des Unterarms);
3M — grad-steigtonig (Fig. 53):
Die Städterin droht
Euch Dirnen den Krieg,
Und doppelte Reize
Behalten den Sieg.
(Dritteluntergriff, Schulter, doch mit Betonung des Unterarms). —
Wir fanden vorher, daß jeder produzierende Mensch nur eine
einzige Beckingkurve besitzt : in der Verwendung derTaktfüll-
kurven unterliegt er dagegen keiner andern Beschränkung als der,
die er sich etwa selbst durch die Begünstigung von Lieblingsformen
auf erlegt. Wie der Komponist in jeder beliebigen Taktart und -Unter¬
art komponieren, so kann eben auch der Dichter in jeder beliebigen
Taktart oder Taktfüllungsart seine Verse bilden: nur das Eine scheidet
sie, daß der Musiker mit Bewußtsein die eine oder andere numerische
Taktart wählt und in ihr arbeitet, während Auswahl und Arbeit sich