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Die allgemeinen ästhetischen Formprinzipien.
Und die Seele ist diese Einheit in der Mehrheit jedem
Mannigfaltigen gegenüber. Sie ist beides in Einem angesichts
alles dessen, was sie auffassen soll. D. h. es liegt in ihrer
Natur, jedes Mannigfaltige vollkommen einheitlich aufzufassen,
und indem sie dies tut, nicht etwas anderes, sondern eben
dies einheitlich Aufgefafste zugleich in gesonderte Akte der
Apperzeption auseinandergehen zu lassen. Sie zielt darauf ab,
in jenem einheitlichen Akte zugleich diese gesonderten Akte zu
vollziehen.
Dies können wir auch kurz so ausdrücken: Die Seele ist
eine gegliederte, d. h. natürlicherweise in ihrem Tun sich
gliedernde oder differenzierende Einheit. Die Auffassungs¬
weise, die ihr natürlich ist, ist also — nicht die einheitliche
Auffassung schlechtweg, sondern die gliedernde oder differen¬
zierende. Diese schliefst beides zumal in sich, die vollkommene
Einheit und die klare Besonderung.
Ästhetische Einheit in der Mannigfaltigkeit.
Damit nun erhebt sich die Frage des Lustgefühls von neuem.
Sie lautet: Wann entspricht ein Mannigfaltiges dieser der Seele
natürlichen Auffassungsweise?
Offenbar hat das Mannigfaltige, um derselben zu ent¬
sprechen, nicht mehr einer einfachen, sondern einer dreifachen
Forderung zu genügen. Es mul's einmal, seiner eigenen Natur
zufolge, zur vollen Einheitsapperzeption sich darbieten. Und es
mufs andererseits, seiner eigenen Beschaffenheit gemäfs, zu
einer völlig klaren Sonderung auffordern. Und es mufs dies
Beides tun in Einem. D. h. eben dasjenige, was zu jener
Einheitsapperzeption sich darbietet, mufs zugleich diese Auf¬
forderung zur klaren Sonderung in sich tragen.
Dieser dreifachen Forderung nun genügt das Mannigfaltige,
wenn es — nicht ein beliebiges einheitliches Mannigfaltige oder
mannigfaltiges Einheitliche ist, sondern wenn es in sich selbst
ein gegliedertes qualitativ Einheitliches oder qualitativ Iden¬
tisches ist.