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Der Rhythmus.
wegung in sich vereinigen und ins Gleichgewicht setzen,
sondern nur die eine Seite eines solchen verkörpern. Die eine
Seite fordert dann die andere. Irgendwelche Einseitigkeit ist
aber allen jenen Halbversen eigen. Eben dies charakterisiert
sie als „Halbverse“. Man erinnere sich insbesondere dessen,
was über die beiden Hälften des Hexameters oben gesagt wurde.
Es kommt hinzu, dafs die mit der geringeren Gröfse Hand
in Hand gehende geringere Differenziertheit der „Halbverse“
auch eine geringere Möglichkeit einer verschiedenen Diffe¬
renzierung, also einer verschiedenen inneren Lebendigkeit eines
Halbverses im Vergleich mit einem anderen, in sich schliefst.
Damit gewinnt auch in ihrer Verbindung das Prinzip der
Gleichartigkeit oder der qualitativen Einheitlichkeit ein
höheres Recht. Dies Prinzip ist aber ein Prinzip der Zweizahl.
Dagegen verbindet sich bei jenen „Versen“ mit der
gröfseren Ausdehnung und Differenziertheit eine gröfsere Mannig¬
faltigkeit und Verschiedenartigkeit der Verse. Man denke vor
allem an die unendliche Variabilität der Bewegung in den fünf-
füfsigen Jamben.
Und dies bedingt nun eine entsprechend gröfsere Freiheit
in der Verbindung solcher Verse zu einem rhythmischen Ganzen.
Es bedingt insbesondere die Möglichkeit der Verbindung nach
dem Prinzip der Dreizahl und der Kombination derselben mit
den Verbindungen zu zweien oder vieren. Es ergeben sich so
Ganze aus 3, 4, 5, 6 u. s. w. „Versen“; wechselnde Gruppen von
Versen, oder nach einem bestimmten Schema aufgebaute Strofen.
Achtes Kapitel: Rhythmus und Reim.
Funktion des Endreimes.
Zum Versrhythmus tritt der Reim, als ein verwandtes und
doch auch wiederum dazu gegensätzliches Element. Ich rede
speziell vom Endreim. Das Charakteristische desselben haftet
aber auch dem Stabreim und der Assonanz an.