310
Der Rhythmus.
des Ganzen wird mehr oder minder ein Auf- und Abwogen,
ein beiderseitiges Hineingenommensein der vorangehenden und
der nachfolgenden unbetonten Elemente in die betonten; eine
Gesamtbewegung mit aufeinanderfolgenden Höhepunkten, eine
Wellenbewegung, vergleichbar der räumlichen Wellenlinie.
Und dazu fügen wir gleich, was schon oben gesagt wurde:
Es bleibt nicht bei der Gliederung der Reihe in Einheiten von
zwei Elementen, sondern dazu tritt die Zusammenfassung von
je zwei solchen Einheiten u. s. w. Damit entfernt sich die
rhythmische Reihe weiter und weiter von der Folge abge¬
grenzter Trochäen und Jamben. Es entsteht das Bild einer
komplizierten Wellenlinie, die sukzessive von höchsten Gipfeln
durch niedrigere Wellenhöhen herabsteigt, bezw. durch solche
zu den höchsten Gipfeln emporsteigt. Sind etwa zwei Trochäen
wiederum trochäisch geordnet, so steigt die Welle von einer
höchsten Anfangshöhe durch eine Zwischenhöhe herab. Das
letzte Element des Ditrochäus ist untergeordnet dem dritten
Element und durch dieses hindurch dem ersten. Und folgen
sich zwei Ditrochäen, so ist wiederum jenes letzte Element zu¬
gleich auch relativ untergeordnet dem Anfangselement des
zweiten Ditrochäus. Und schliefslich sind in jedem rhythmischen
Ganzen alle unbetonten Elemente untergeordnet jedem betonten,
jedem minder betonten, und durch diese hindurch jedem stärker
betonten.
Darnach dürfen wir bei der Betrachtung der rhythmischen
Reihe gar nicht ausgehen von den Trochäen und Jamben,
sondern das Erste mufs uns die Einheit der ganzen Reihe
sein. Sie beginnt trochäisch oder jambisch, um dann in
ihrem weiteren Verlauf bald mehr den einen, bald mehr den
anderen Charakter zu haben.
Wie es aber hiermit im einzelnen Falle bestellt ist, darüber
entscheiden einzig die Worte und Wortverbindungen. Versteht
man unter den „Versfüfsen“ Teile, in welche das rhythmische
Ganze zerlegt ist, so sind die einzigen Versfüfse die „Wort-
fiifse“. Ihr Anfang und Ende, ihre gröfsere Selbständigkeit oder
gröfsere Zusammengehörigkeit, gliedern die auf- und abwogende
Bewegung.