Weiteres zur »Einfühlung«.
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Ebenso besteht in mir eine Tendenz, den Willen, den ein
anderer in Worten oder sonstwie kundgibt, mir zu eigen zu machen.
Jemand gebe zu erkennen, er wolle, daß ich dies oder jenes tue,
dann erfülle ich seinen Willen, d. h. ich will, was er will, sofern
ich keine Gegenmotive habe.
Diese Tatsachen nun leugnet niemand. Sie wären aber ein
unbegreifliches Wunder, wenn sie nicht auf einem allgemeinen
Gesetze beruhten. Und dies allgemeine Gesetz kann nur das oben
ausgesprochene sein. Ich wiederhole : Jedes psychische Verhalten,
sei es ein eigenes oder fremdes, von dem ich weiß, ist der Ten¬
denz nach mein entsprechendes eigenes gegenwärtiges Verhalten.
Das Wissen, von dem ich hier redete, ist ein empirisches
Wissen. Es ist ein Wissen davon, daß in der empirisch wirklichen
Welt ein Psychisches stattfand bzw. stattfindet. Was aber von
diesem gesagt wurde, gilt nun auch, wenn das »Wissen« nur ein
ästhetisches Wissen ist. D. h. wenn es in jenem »ästhetischen
Wirklichkeits- oder Tatsächlichkeitsbewußtsein« besteht, von dem
oben die Rede war.
Um nun dies zu verstehen, müssen wir die weitere Frage stellen,
warum oder auf Grund wovon denn das Wissen von einem
psychischen Verhalten die Tendenz des Erlebens in sich schließe.
Darauf müssen wir antworten: Nicht das Wissen als solches
tut dies, sondern das unangefochtene oder unbestrittene Dasein
für mich, das demjenigen eignet, von dessen Wirklichkeit oder
Tatsächlichkeit ich weiß.
Weiß ich, daß etwas ist oder stattfindet, so sind damit die
Gegenvorstellungen, daß etwas anderes an seiner Stelle sei oder
stattfinde, abgewiesen. Und nun gilt das allgemeinste psycho¬
logische Grundgesetz, für welches auch das oben ausgesprochene
allgemeine psychologische Grundgesetz nur eine speziellere Fas¬
sung ist, daß nämlich in jeder Vorstellung irgendeines
Gegenstandes oder Sachverhaltes an sich die Tendenz
liege, zum vollen Erleben desselben zu werden1). Sie
liegt darin an sich, d. h. die fragliche Tendenz besteht tatsäch¬
lich, wenn die Vorstellung des Gegenstandes für sich besteht. Und
1) Leitfaden der Psychologie S. 141 Anm. und später.