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Drittes Kapitel.
die moderne Psychologie und Ästhetik, auf einen ein¬
fachen psychologischen Ausdruck gebracht, indem er
das ästhetische Gefallen von zwei Faktoren, einem
direkten und einem associativen Faktor abhängig
machte. Der Genuss eines Kunstwerkes wird damit
zu einer Funktion zweier Variablen, der äusseren, durch
die sinnfälligen Eigenschaften bestimmten Erscheinung
und alles dessen, was unsere Erfahrung, unsere Ein-
bildungskraft geschäftig hinzubringt4 4 (Külpe).
Ich bin nun überzeugt, dass der „associative Fak¬
tor44 Fechners nicht ausreicht, um alles, was nicht den
direkten, sinnlichen Faktoren angehört, zu umspannen.
Jedenfalls können wir es aber als feststehend ansehen,
dass in dem ästhetischen Eindruck ausser dem sinn¬
lich Gegebenen die Nachwirkung früherer Er¬
fahrungen von ungeheuerer Bedeutung ist. Damit
haben wir es nun zu thun, wenn wir in diesem Kapitel
von den „reproduktiven Faktoren44 reden.
Ehe wir aber zu der eigentlichen Ausführung
unseres Themas übergehen, stehen wir vor der Frage:
wie haben wir uns die Nachwirkung früherer Er¬
fahrungen zu denken, um die es sich beim ästhe¬
tischen Gemessen handelt? Wir stossen damit wieder
auf die grundlegenden psychologischen Unterschei¬
dungen, die wir im vorigen Kapitel angedeutet haben.
Bei der Nachwirkung früherer Erfahrungen sind
zwei verschiedenartige Fälle auseinanderzuhalten, die
durch Beispiele illustriert werden mögen. Wenn ge¬
wisse Gegenstände für das Auge eine besondere Art
des Glanzes oder der Färbung zeigen, so verbindet