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Zweites Kapitel.
Hauptsache keineswegs auf einem solchen Schauen.
Schon Burke hat (hieran erinnert auch Külpe) ener-
gisch hervorgehoben, dass die Wörter in der Regel
keine Bilder der von ihnen bezeichneten Gegenstände
hervorrufen. Ich möchte nnn nicht einmal so weit
gehen. Mein eigenes Gedächtnis wenigstens ist nach
der visuellen Seite hin derart beschaffen, dass wäh¬
rend der Lektüre allerlei optische Bilder, die dem
dargestellten Inhalt entsprechen, vor mir auftauchen;
freilich meist in schattenhafter Weise und sehr
fragmentarisch. Die eigentlich sinnliche Wirkung be¬
steht aber nach meiner Meinung darin, dass der
Dichter, selbst körperlich erregt und gepackt, solche
Worte findet, die auch unseren G-efühlen die ganze
Wärme einer leiblichen Teilnahme verleihen. Der
organische ErregungsVorgang ist wichtiger als die
Erregung von Phantasiebildem der Objekte, und wo
solche Phantasiebilder auftreten, da liegt ihr eigent¬
licher ästhetischer Wert zum guten Teil darin, dass
sie das organische Gepacktwerden erleichtern. Es ist
z. B. manchmal sehr wirkungsvoll, wenn von dem
Erblassen einer Person die Bede ist, sei es nun, dass
es sich um Zorn oder Grauen handelt. Nun habe ich
aber noch niemanden erbleichen sehen, sondern immer
i
nur nachträglich konstatiert, dass jemand blass ge-
worden ist. Infolgedessen kann mir höchstens ein
„fertiges“ bleiches Gesicht als optisches Bild vor¬
schweben. Wenn das der Pall ist, so wird wahrschein¬
lich die emotionelle Wirkung verstärkt. Die Wirkung
selbst aber besteht darin, dass auch ich etwas von