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Das Tragische.
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wird. Das Schicksal, welches das Schöne „unter den Huf¬
schlag seiner Pferde" wirft, erscheint „roh und kalt". Das
ist dasselbe Gefühl der Empörung über eine Tragik ohne
Erhebung, was auch aus den bitteren Worten Shakespeares
in „Troilus und Cressida" spricht : „Da liegt Ihr wie ein
edles Rofs, das fiel im Vorkampf, überrannt, zerstampft, als
Pflaster für niedern Trofs". Die Tragik, die in einem Unter¬
gänge ohne Erhebung liegt, wird darum nicht leicht in ihrer
ganzen Furchtbarkeit enthüllt werden können, weil dann das
Spiel der inneren Nachahmung unter Umständen versagt.
Ganz anders ist es bei dem erhebend Tragischen. Da kann
das Furchtbarste und das Schmerzlichste gewagt werden;
denn neben dem Schmerz steigt die Erhebung empor und
gibt jenem inneren Spiel dine ungeheure Tragkraft. Neben
dem Schmerz : das ist eben das wesentliche Moment, durch
welches die Erhebung als das wichtigste unter den tragischen
Mitteln erscheint. Der Zuhörer hat den Genufs des Er¬
habenen, aber dadurch wird die erschütternde Kraft des
Unterganges in nichts abgeschwächt, weil sich das Erhabene
selbst erst auf dem Furchtbaren auf baut. Die andern
Mittel führen nur wenig an directem Lustgefühl mit sich,
das Erhabene aber ist ein starkes Lustgefühl und schwächt
dennoch den Schmerz nicht ab, da es selbst eine Depression
voraussetzt. Darum hat Schiller die Leistung des erhebend
Tragischen mit gröfster Schärfe bestimmt, wenn er seinen
Cajetan sagen läfst :
Erschüttert stelT ich, weifs nicht, ob ich ihn
Bejammern oder preisen soll sein Loos.