Das Erhabene.
309
III. Das Erhabene.
Der eigenthümliche Charakter einer jeden ästhetischen
Modification beruht zunächst auf einem aufserästheti-
schen Eindruck, der „modificirend“ auf die Eigenart des
ästhetischen Genusses einwirkt. Diese aufserästhetische Be¬
dingung besteht nun bei dem Erhabenen darin, dafs der an¬
geschaute Gegenstand die normalen Verhältnisse über¬
schreitet : das Erhabene ist immer ein Gewaltiges. — Auch
in dem mathematisch Erhabenen äufsert sich stets ein Ge¬
waltiges, also etwas Dynamisches, und es war darum ein
Mifsgriff Kants, die mathematische und die dynamische Er¬
habenheit streng von einander abzusondern*). Man kann
das extensiv Grofse nicht betrachten, ohne es durch die Pro¬
jection der Nachahmungsgefühle in ein dynamisch Grofses,
also wahrhaft Gewaltiges zu verwandeln, und abgesehen da¬
von schliefst das extensiv Grofse thatsächlich immer Kräfte
in sich, die wir nicht nur fühlen, wenn sie geäufsert werden,
sondern auch dann, wenn sie latent sind. Auch aus der
schweigenden Wüste und aus dem ruhenden Meer redet
eine ungeheure Macht zu uns.
*) Vgl. hierüber Hartmanns „Aesthetik“, I 381.