Das Schöne. 219
bei einer Säulenreihe oder bei regelmäfsigen Verzierungen,
die der Form eines Rundbogens folgen. In derselben Weise
hat etwa das taktmäfsige Auffallen von Wassertropfen für
das Gehör einen schwachen sinnlichen Reiz, der sich steigert,
wenn die Regelmäfsigkeit der successiven Gliederung mit
einer sinnlich angenehmen Tonveränderung verbunden ist,
wie z. B. beim Spielen von „Läufen", die ja auch „perlen"
wie Wassertropfen.
Die sinnliche Auffassung einer regelmäfsigen Tonfolge
leitet zu einer Verfeinerung des Angenehmen über, durch
welche sich das äufserlich Gegebene noch inniger den Be¬
dingungen der Sinnesempfindung anschmiegt : zu dem
Rhythmus. Während nämlich das Auge eine Reihe
gleicher Einheiten (z. B. beim „Eierstab") ruhig und gleich-
mäfsig durchlaufen kann, ist dies dem Ohre fast unmöglich.
Wenn wir ein regelmäfsiges Geräusch, etwa das Ticken
einer Uhr, anhören, so fällt es uns äufserst schwer, ganz
unparteiisch zu bleiben : ehe wir es uns versehen, beginnen
wir auf ein Geräusch einen Nachdruck, einen Accent zu
legen, das nächstfolgende scheint schwächer zu klingen, das
nächste wieder stärker u. s. w. Hierdurch verwandelt sich
die blofs regelmäfsige Tonbewegung in eine rhyth¬
mische. Denn das Aufeinanderfolgen gleicher Theile ist
noch nicht im strengen Sinne als rhythmisch zu bezeichnen.
Erst wenn mindestens zwei Einheiten durch einen Accent
(der sowohl auf der ersten wie auf der zweiten stehen kann)
zusammengefafst werden, ist ein rhythmischer Verlauf vor-