174 Die Lust an der inneren Nachahmung.
kaum bemerkbare Anspannung der Muskeln verrathen es,
dafs die Verbindung mit den motorischen Nerven nur aufser
Thätigkeit gesetzt, nicht zerrissen ist. — Durch diese Be¬
schränkung auf ein rein innerliches und geistiges Miterleben
erklärt es sich, dafs die ästhetischen Gefühle von der ganzen
sinnlichen Gewalt der Unlust und des Schmerzes befreit
sind. Wir lassen nur die Seele, nicht Leib und Seele von
den ästhetischen Gefühlen erschüttern, weil unser Bewufst-
sein im vollen ästhetischen Genufs mehr in dem ange¬
schauten Gegenstände lebt als in dem eigenen Körper. Die
Deutlichkeit der Gefühle wird dadurch nicht abgeschwächt,
auch ihre geistig erschütternde Kraft nicht. Die Seele kann
dabei in eine ungeheuere Bewegung versetzt werden; aber
dieser Bewegung fehlt gleichsam die Reibung und der An¬
prall an dem Materiellen. Unser Inneres wogt hoch auf in
Zorn und Schmerz; aber es fehlt jener dumpfe, quälende
Druck, der gewaltsam den körperlichen Ausbruch der Ge¬
fühle verlangt. Denn das reine innere Spiel der ästhetischen
Anschauung hat eben die motorische Leitung überhaupt
aufser Thätigkeit gesetzt. Gerade der Uebergang in den
körperlichen Gefühlsausbruch, oder vielmehr die Spannung,
die diesem Ausbruch vorausgeht, hat einen sehr wesent¬
lichen Antheil an der Bitterkeit der aufserästhetischen Un¬
lust, und diese Qual wird bei dem ästhetischen Schein, der
innere Nachahmung sein und bleiben will, nicht empfunden.
So wird es klar, dafs die ästhetischen Unlust-Gefühle
durch ihre ganze Entstehungsart nie den Grad von Schmerz¬
lichkeit erreichen, der bei realen Unlustgefühlen möglich ist.