Der typische Gehalt.
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Diese Bevorzugung braucht aber durchaus nicht immer
den über die Normalgröfse hinausgehenden Erscheinungen zu
Theil zu werden. Ich habe darum betont, dafs es sich bei
den angeführten Beispielen um solche Objecte handelt, die
von vorneherein durch Gröfse und Kraft auffallen. Gerade
umgekehrt wird es uns z. B. bei dem Typus des Franzosen
gehen. Hier fällt dem Betrachter besonders die Beweglich¬
keit und Grazie in's Auge, welche den Franzosen aus¬
zeichnet. Da nun Beweglichkeit und Grazie einen gewissen
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Grad von Zierlichkeit in der Körpergestalt erfordern, so
werden in diesem Fall die kleineren, schlanken, geschmei-
digen Figuren bevorzugt werden. Die psychologischen
Normalideen des Deutschen und Franzosen werden also viel
weiter auseinanderstehen, als die auf mechanischem Wege
gefundenen anthropometrischen Normalgröfsen : in der
Phantasie des Künstlers wird der typische Deutsche den
typischen Franzosen um Haupteslänge überragen; in der
Anthropométrie beträgt der Unterschied allerhöchstens einige
Centimeter, nach Gould sogar nur einen Millimeter. — Ge¬
nau so ist es auch in Beziehung auf die sonstige Körper¬
beschaffenheit. Der typische Neger wird dunkler, die typische
deutsche Frau rosiger gedacht werden, als es bei einem
rein mechanischen Herausfinden des Mittelwerthes der Fall
wäre, u. s. w. Immer werden diejenigen Züge, für welche
das Bewufstsein ein besonderes Interesse hat, bei der
Bildung der „Normalidee“ ein entsprechend verstärktes
Gewicht erhalten, das über ihren rein numerischen Werth
hinausgeht.