1. Einige türkische Volkslieder aus Nordsyrien
und die Bedeutung phonographiseher Aufnahmen für die
Völkerkunde.1)
Yon
Felix v. Luschan.
Vor jetzt 25 Jahren hörte ich im Theater des Palais Royal eine Posse,
in der die phonographische Wiedergabe anscheinend unbelanschter Gespräche
den ausgelassensten Jubel der Zuhörer erregte.
Damals schon hatte ich die Vorstellung, dass der Phonograph einmal
ein wichtiges Hilfsmittel der anthropologischen Forschungsarbeit werden
müsste. Sieben Jahre später wollte ich hier am Museum zum ersten Male
die praktische Brauchbarkeit eines Phonographen für unsere Zwecke er¬
proben, aber der Apparat war damals noch technisch sehr unvollkommen,
und ausserdem erklärte man mir in aller Form, solche Dinge gehörten
auf einen Jahrmarkt und nicht ins Museum. Bald nachher legte hier in
unserer Gesellschaft F. Boas seine ersten Ergebnisse mit dem Phono¬
graphen vor — sie waren gleichfalls wenig ermunternd.
So hatte ich den Gedanken wieder fallen lassen und erst wieder auf¬
genommen, nachdem ich aus einem Vortrage der Herren Abraham und
v. Hornbostel ersehen hatte, dass mindestens der musikwissenschaftliche
Gewinn aus phonographischen ■ Aufnahmen völlig einwandfrei sei.
Als dann meine Frau und ich Ende 1901 uns zu einer neuen Aus¬
grabungskampagne in, Sendschirli rüsteten, beschafften wir einen ganz
kleinen phonographischen Apparat, der nur 10 Taler kostet und wenig
mehr als 1 kg wiegt. Hätte er sich für ernste Zwecke unbrauchbar er¬
wiesen, so wäre er immer ein sehr passendes Geschenk für einen der
dort einheimischen Würdenträger gewesen.
Dieser vorläufige Versuch ist indes über jedes Erwarten gelungen.
Wir hatten nie früher einer phonographischen Aufnahme mit einem
modernen Apparate beigewohnt und machten daher im Anfänge aus Uner¬
fahrenheit allerhand Fehler. Rasch aber lernten wir die an sich ja ganz
1) Erweitert nach einem in der Sitzung vom 20. Juni 1903 gehaltenen Yortrage.
Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. 1904. Heft 2. 22