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Der Staat.
oder Telegraphen-Organismus zu reden, hat uns nichts
gehindert, bedingt auf einen „Sprachorganismus“ einzu¬
gehen. Denn abgesehen von dem Umfang und der son¬
stigen Beschaffenheit des sprachlichen Materials, geht aus
seiner durch die grammatisch-logische Gruppirung und
durch die Flexion unterhaltenen Beweglichkeit ein dem
Organismus sehr nahe stehendes Gebilde hervor.
Den tieferen Sinn, welchen das Wort Buchstabe seiner
Entstehung nach rechtfertigt, haben wir zur Genüge ken¬
nen gelernt. Indem wir uns nun auch die Bedeutung der
ihm entsprechenden Fremdwörter liter a und liter ae leben¬
dig vergegenwärtigen, können wir nicht umhin, den mensch-
lischen Organismus seihst als die ursprüngliche und eigent¬
liche universitas literarum in Anspruch zu nehmen. Denn
je nach veränderten Combinationen entsteigt demselben
Letternkasten bald eine Fibel, bald ein Compendium der
Wissenschaft, und zwar sicherlich nicht etwa unter me¬
chanischem Durcheinanderschütteln, sondern unter Ineins¬
fügung nach organisch articulirender Regel.
Die Sprache unterscheidet sich aber von den übrigen
Gestaltungen der Organprojection sehr wesentlich dadurch,
dass sie das Abbild nicht bloss einer für sich in Betracht
gezogenen Organgruppe, sondern einer Totalität orga¬
nischer Functionsbeziehungen ist. Als die durchsichtige
Form eines organischen Gesammtbildes würde sie, in sol¬
cher Abstraction von der auch ihr zu Gebote stehenden
Technik, immerhin nur als Schemen eines Organismus gel¬
ten dürfen, wenn nicht die Thatsache der Entwickelung
der Technik durch die Sprache und der Sprache durch
die Technik beide als Seiten derselben organischen Einheit
erscheinen liesse. Die Darstellung, welche mit dem Pro¬
cess dieser wechselseitigen Durchdringung von Hirn und